U.D.O. – Denkt nicht an die Rente!

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Der Exil-Solinger Udo Dirkschneider hat mit seinen Bands Accept und seit über 20 Jahren U.D.O. schon längst Metalgeschichte geschrieben. Nun geht er, nachdem er drei Jahre als Dirkschneider auf sehr erfolgreicher Welttournee zum letzten Mal seine alten Accept Hits gesungen hat, wieder mit seiner Hausband U.D.O. an den Start und erfreut die Fans mit dem Hammeralbum „Steelfactory” und anschließend natürlich vielen Konzerte. Gute 40 Minuten durfte ich mit der deutschen Metallegende plaudern und es war einfach schön einem Allüren freien, bodenständigen, natürlichen und freundlichen (!) Musiker mit viel Lebenserfahrung zuhören zu dürfen.

Die neue Scheibe heißt ja „Steelfactory“, coole Idee. War das eine Hommage an deine Heimat und kam das Cover dann danach?

Sagen wir mal so, das Cover kam am Schluss, wir hatten ja verschiedene Ideen. Aber der Titel hat schon mit der Vergangenheit zu tun, wegen Solinger Stahl, oder Stahlmann wie sich mal genannt haben. Da kann dann irgendwann „Steelfactory“ auf. So kamen wir dann auf die Idee dies als Überbegriff ohne passenden Song zu nehmen.

Ich habe da auch den Song anfangs gesucht, das trifft auch den Nagel auf den Kopf denke ich. Nach drei Jahren als Dirkschneider auf Tour habe ich mir erlaubt im Sound zu hören dass du dich teilweise an deinen alten Accept Alben orientiert hast, wie bei „Make The Move“ und der Rest sind typische U.D.O. Lieder!

Wenn du drei Jahre lang Accept Songs spielst mit der Band und dann neue Lieder komponierst dann (lacht) bleibt es nicht aus, wie soll ich es sagen, dass eine gewisse Sache hängen bleibt. Man ist in einer gewissen Atmosphäre und Gefühl drin und da habe ich dann auch kein Problem mit. Wir haben uns da nicht hingesetzt und krampfhaft versucht nach Accept zu klingen.

Ich finde das hält sich aber auch die Waage, da ist viel klassischer U.D.O. Stoff an Bord, wo ich denke das ist er!

Da schwimmt auf jeden Fall was mit herum (lacht), aber das war nicht so gewollt und kam durch ein Hintertürchen. Wenn man so lange mit dem Kram rummacht, ist das auch normal. Ich habe da auch keine Probleme wenn Leute sagen das klingt total nach Accept. Dann sei doch froh würde ich denen sagen (beide lachen).

Klasse! Ich hatte letztens eine Zeitschrift in der Hand da ging es im Vorwort um das Alter bestimmter Sänger, wo ich dann dachte Ian Gillan ist auch schon 73! Wenn ich mich nicht verrechne bist du schon 66. Wie soll ich es sagen. Bei vielen Sängern hat man mit den Jahren stimmliche Verschleißerscheinungen bei denen diese teils böse Verrisse bekommen. Das habe ich bei dir noch nie gehört! Was ist dein Geheimnis?

Ich mache nichts! (lacht schallend) Ich wärme mich auch nicht auf, ich gehe auf die Bühne und singe oder schreie. Ich habe da glaube ich ganz viel Glück! Ich kenne da nun auch viele Sänger aus unserem Bereich die sich mittlerweile ganz schön schwer tun. Die Stimme funktioniert. Würde ich es merken dass es nicht mehr geht, oder lesen müsste Udo das war aber nix würde ich aufhören! Aber ich würde es auch nicht so weit kommen lassen und von mir aus aufhören. Denn so schätze ich mich so ein wenn ich Probleme hätte. Sowas habe ich aber nicht, toi toi toi. Ich kann sogar viel mehr machen als vor 10 Jahren oder so. Ich komme jetzt tiefer als früher, aber immer noch die hohen Sachen. Wunderbar, kein Problem.

Das war eigentlich meine nächste Frage! Meiner Meinung nach traust du dir seit einigen Jahren Sachen zu die du vor 20 Jahren nicht gemacht hättest! Du hattest auch immer Experimente drin wie „Thunder In The Tower“ oder so diese „My Way“ Covernummer, aber das du auch richtig ruhig oder klar bist, fand ich neben den Lachern im Lied richtig geil!

Richtig! Das stimmt schon, ich versuche immer…, also das hat bei „Steelhammer“ angefangen. Da gab es den Song „Heavy Rain“. Als die Komposition dann stand sagte ich zur Band dass ich so eine Scheiße auf Deutsch gesagt nicht singe (lacht). Das kann ich nicht und dann wurde ich überredet und sang die Nummer. Dabei merkte ich, dass da noch mehr geht! Dann traute ich mich auch. Nimm z.B. „My Way“. Das war so eine Sache! Wir wollten auf eine Live-DVD den Originalabspann mit dem Gesang von Frank Sinatra. Da haben wir die Rechte nicht bekommen, also habe ich das dann selber versucht! Ich werde mit Sicherheit kein Blues und Schlager singen! In dem Bereich Metal kann man doch so viel machen und herum experimentieren. Für einen selber ist das dann auch toll, dass man sich nach so vielen Jahren auch noch weiter entwickeln kann.

Ich habe jetzt bei vielen Liedern nach gefühlt 20 Scheiben bei dir das Gefühl du willst nicht kopieren und machst dann halt mal solche Sachen!

Ja, sagen wir mal so! Ich bekomme immer so Anfälle bei Interviews, wenn Leute sagen mach doch mal wieder ein Album wie „Animal House“, das gibt es ja schon! Oder mach noch mal einen Song wie „Balls To The Wall“. Den gibt es doch auch schon, ich will mich ja nicht selber kopieren weil das mal gut war. Wir haben bei der Band immer im Studio was gemacht und nicht darüber nachgedacht, sondern einfach drauf los gemacht. Schauen was dabei raus kommt. Es ist ja nicht so, dass wir bei jedem Album das Rad neu entwickeln! Die Richtung ist schon immer die gleiche. Man versucht halt immer bisschen mehr zu machen. Wichtig ist glaube ich, dass wir uns auch selber sagen wenn wir komponieren: Mal gucken. Lass mal ausprobieren, mit Ideen rumspielen. Oder lernen aus dem letzten Album! Du hörst dir ein halbes Jahr nach dem ein Album fertig ist es manchmal an und denkst an manchen Stellen das hätte man dann anders machen können. Man sollte immer kritisch mit sich selber sein!

Kannst du dir deine alten Alben noch anhören?

Ja, klar. Das muss ich manchmal sogar für eine neue Setlist zum Beispiel. Da muss ich mich schon mal durchhören. Ich höre auch mal eigene Alben an, sicherlich nicht jeden Tag. Aber um mal zu hören wie es war vor 10 oder 15 Jahren. Das ist immer auch interessant!

Interessant fand ich auch, dass hier eine gewisse Wehmütigkeit in diversen Liedern ist, der Text von „The Way“ war hier auch sehr gut verständlich“. Auch bei „In The Heat Of The Night“ da ist es derselbe Grundtenor: Ich habe viel erlebt und würde nichts anders machen.

Ja, das ist sehr viel Biografisches drin was ich erlebt habe und würde das Alles noch mal selber so machen. Ich bin auch immer noch der gleiche. So als Message: ich bin immer noch da. Ich sehe da auch keinen Zeitpunkt aufzuhören, noch lange nicht. Solange die Stimme noch funktioniert, so lange Leute zu den Konzerten kommen und ganz wichtig: So lange es mir so viel Spaß macht geht es weiter!

Man hat ja manchmal das Gefühl bei Musikern dass sie keine Lust mehr haben und noch Verträge erfüllen zu haben! Sowas finde ich dann nicht so geil.

Das ist ganz wichtig! Man muss halt Spaß haben. Gesundheit ist die andere Seite, wenn den Leuten das auch noch so gut gefällt ist das super. Ansonsten denkt man vielleicht wann ist denn die scheiß Tournee zu Ende. Wenn ich dieses Gefühl haben würde, wäre es sicher schnell die letzte Tour oder das letzte Album. Das Gefühl habe ich im Moment überhaupt nicht! Ich habe so viele kommen und gehen sehen und ich bin immer noch da, wunderbar. Da habe ich doch irgendwas richtig gemacht.

In den letzten Jahren waren deine Line-ups recht stabil. Da gab es auch Veränderungen, aber an sich sind die Leute doch lange geblieben. Nun gab es zwei Verluste von zwei Gitarristen in kurzer Zeit und der alte Haudegen und Ex-Gitarrist Stefan Kaufmann ist für die Sommerfestivals wieder an Bord! Danach sucht ihr dann wieder einen neuen Gitarristen, oder?

Ja, das stimmt so alles, wir suchen auch wieder einen Gitarristen, aber dieses Mal keinen Schnellschuss das muss ich mal erklären. Kasperi Heikkinen ist ein ganz toller Gitarrist, aber ich hatte damals einen ganz anderen im Kopf, aber dann war der junge Mann nicht mehr verfügbar. Dann war der gute Kasperi der Notnagel. Ich will nur mal eine Episode erzählen die erklärt alles. Als wir mit Dirkschneider auf der ersten USA Tournee war das irgendwann langweilig im Tourbus und dann fingen wir an neue Kompositionen zu erarbeiten. Da wir als Band arbeiten kam er dann mit Ideen an die wir umformen oder ändern wollten, worauf er mit dem Kommentar ankam meine Songs werden nicht verändert. Das erklärt viel und tiefer will ich nicht hinein gehen. (lacht). Da gab es ein paar Gespräche wo wir auch klar machten dass wir keinen alleinigen Songwriter wollten, sondern eine Band sind. Daher mussten wir uns trennen! Da war guter Rat teuer. Es musste schnell gehen, Tourneen waren gebucht und standen an. Dann kam eine Empfehlung von einer guten Bekannten von mir wegen eines Bill Hudson. Die meinte er wäre ein toller Gitarrist und pflegeleicht. Man hat dann miteinander geredet und im Grunde war das auch ein Schnellschuss! Dann kamen diverse Sachen und es kristallisierte sich heraus, dass er sich für den großen Rockstar wohl hielt. Er kann alles viel besser, auch die Solos. Das war ein Gehabe das nicht zu uns passte. Er hatte auch kein Interesse an dem Album mitzuwirken und da war der Punkt an dem wir sagten wir ziehen das durch bis dahin nach einigen Gesprächen und gut ist es. Ich habe dann ja immer einen guten Draht zu Stefan gehabt und den haben wir angerufen und der sagte kein Problem ich helfe aus! Die letzte Dirkschneider Show ist am 19. Oktober und da haben wir reichlich Zeit uns mal keinen Schnellschuss zu leisten. Es schweben jetzt bei Auditions fünf Kandidaten durch die Welt und davon holen wir uns wahrscheinlich einen den wir bald präsentieren.

Ich habe immer gedacht die letzten Jahre dass du mit deinem Bassisten Fitty die Lieder geschrieben hast und produziert habt ihr auch. Hat sich da was geändert?

Nachdem Stefan Kaufmann raus war, habe ich bei „Steelhammer“ und „Decadent“ mit Fitty geschrieben und wir beide haben mit dem Produzenten mit produziert. Das neue Album ist dann wieder back to the roots. Wir waren 20 Tage im Studio und haben gejammt und uns Ideen vorgespielt. Das war eine gute Lösung die werden wir weiter verfolgen. Nicht nur zwei Leute, das wird kreativ, ich glaube das hört man der Scheibe auch an.

Frühere Alben sind nicht so mein Fall gewesen wegen der Produktion, seit der „Steelhammer“ ist die Produktion richtig geil und zeitlos. Ihr hattet auch zweitweise viel Keys an Bord und diesem baumlangen Keyboarder auf Tour. Mein alter Freund Köllner, der war schon bei der „Faceless World“ dabei. Das ist nun eher ein Gitarrenalbum, oder?

Das ist richtig! Bei „Decadent“ waren einige Keyboard Orchestersachen, bei „Steelhammer“ war es die Sache mit der Violine und dem Cello. Aber nun ist das wirklich ein Gitarrenalbum, da war auch nichts dabei dieses Mal. Wenn wir sowas mal brauchen, dann wird das auch benutzt!

Ich bin ja ein begeisterter Leser von Musikerbiografien. Du hast ja jetzt auch die zwei sechsen im Alter, hat dich da noch nie jemand gefragt? Es gibt ja viel jüngere Musiker die schon mal solche Bücher geschrieben haben!

Ich bin ja schon dabei! Das hat auch nicht die große Eile. Ich weiß auch nicht, wie ich das mache! Das wird einmal die Accept Geschichte geben bis zu meinem wunderschönen Rausschmiss (lacht) und dann wird es ein Buch nur über U.D.O. geben da ist ja auch passiert. Ich frage mich eigentlich wann ich die rausbringen soll, da U.D.O. noch läuft. Daher will ich einen Abschluss haben, weil das andere Ding dann noch läuft. Also da wird was kommen, aber gut Ding will Weile haben. Ich will auch keine Biografie machen wo dann steht mit 14 hat er dieses und mit 16 jenes gemacht. Ich will das als Geschichte erzählen. Mehr Roman als Aufzählung. Das ist nicht ganz so einfach. Ich werde auch mit jemand zusammen arbeiten, im Moment schreibe ich da munter drauf los, was mir einfällt!

 

Zum Ende des Interviews muss ich doch fragen, was vielleicht jeder fragt: Ende Oktober ist ja Ende mit Dirkschneider. Bis jetzt hast du immer Wort gehalten, also ist dann für immer Schicht mit Accept Liedern und du spielst „nur“ deine gefühlt 20 Scheiben mit U.D.O. live?

Ich will mal so sagen: Never say Never! So lange es Accept gibt die ja die Lieder auch spielen, werde ich keine Accept Nummern mehr spielen. Sollten die sich mal auflösen und ich bin noch da, ist das was anderes. Ansonsten sage ich, wenn ihr Accept Songs hören wollt geht zu Accept. Ich weiß, da werden Rufe kommen nach „Balls“ oder so, das kann ich ja dann als Rausschmeißer von Platte spielen. (lacht). Für uns war die Dirkschneider Sachen auch eine Win / Win Situation da es doch einige Leute gab die gar nicht wussten das es U.D.O. gibt und uns so kennen gelernt haben, weshalb wir da auch einige neue Fans dazu bekommen haben.

Mittlerweile ist Bassist Fitty Wienhold in Frieden ausgeschieden und U.D.O. sind mit neuem Gitarristen und Bassisten wieder komplett. Wir werden sehen wie es mit der Band und Udo Dirkschneider weiter gehen wird und bleiben natürlich am Ball.

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"Ein Gitarrenriff sollte nie länger sein, als es dauert, eine Bierflasche zu köpfen.“ Lemmy Kilmister (Motörhead)