Nach dem Album ist vor der Tour. Oder war es nicht mal umgekehrt? Eigentlich auch egal, denn schon lange habe ich mit darauf gefreut die neuen Songs von DESERTED FEAR live zu hören. Mit „Drowned In Humanity“ hat man einen echten Kracher veröffentlicht, der durch die Bank nur Höchstnoten bekommen hat. Und mit so einem Album im Gepäck kann man dann auch mal als Headliner auf Tour gehen. Dass sich DESERTED FEAR für Hamburg als Tourstart entschieden haben wird mit einem vollen Haus belohnt, auch wenn nicht alle Tickets über den Tresen gegangen sind.
Den Auftakt des Abends bestreiten die Italiener von HIEROPHANT. Im vergangenen Jahr hatte ich bereits das Vergnügen die Truppe auf dem Party.San Festival zu begutachten. Schon damals musste die vorhandene Atmosphäre die recht durchschnittliche Musik retten und das Fazit fiel leicht positiv aus. Heute Abend macht das Trio aber verdammt viel falsch. Obwohl HIEROPHANT der Opener des Abends ist und mit 45 Minuten verdammt viel Spielzeit bekommen hat, wird erstmal ein nerviges und minutenlanges Intro eingespielt. Die Bühne ist zwar hübsch mit Schädeln und (umgedrehten) Kreuzen ausgestattet, und auch die Musiker haben sich ein wenig schwarze Farbe ins Gesicht gemalt, aber spätestens mit den ersten Takten ist alles vorbei. Stumpfer Black Metal wird raus gerotzt und die krampfhaft erzeugte Atmosphäre ist im Nu vorbei. Wobei ich mir nach ein paar Songs die Frage stelle, welches Konzept HIEROPHANT da eigentlich verfolgen. Auf der einen Seite werden immer wieder ellenlange Intros eingespielt, und die ganze Ausstattung der Bühne soll wohl dem Zuschauer vermitteln dass hier eine Messe zelebriert wird. Aber die Songs werden mit einer derartigen Lustlosigkeit runter geholzt dass das Publikum sich zügig in den anderen Bereich des Knust verzieht. Keine Ahnung ob da vielleicht auch Nervosität mit am Start ist aber mit diesem Auftritt haben sich HIEROPHANT absolut keinen Gefallen getan.
FOTOS: HIEROPHANT
Der Name CARNATION ist mir bis heute Abend absolut nicht geläufig. Ein guter Freund, den ich kurz vor dem Konzert treffe, legt mir die Band aber sehr ans Herz. Und er sollte Recht behalten. Die Belgier sind erst sein ein paar Jahren am Start, haben 2018 ihr Debüt Album „Chapel Of Abhorrence“ veröffentlich, haben aber bereits PESTILENCE in Südamerika begleitet (!) und neben einer regulären EP noch eine „Live aus Tokyo“ Scheibe (!!) auf den Markt geworfen. Nicht schlecht, Herr Specht. CARNATION spielen eine recht griffigen Death Metal Mix aus schwedischen Gitarrenriffs, während man sich bezüglich Kompositionen und Gesang eher aus dem europäischen Ausland oder auch Amerika bedient. Hier trifft ein gnadenloser Groove auf brutale Growls und gekonnte Tempovariationen. Die Riffs fressen sich genüßlich in die Gehörgänge und mit Frontmann Simon Duson hat die Kapelle einen echten Hingucker am Start. Zwei schwere Ketten hängen über der Jeansjacke, und zur Krönung hat er sich das Gesicht mit einer sehr roten, lack-ähnlihcen Farbe komplett angemalt. Die Farbe hält auch ziemlich lange durch, trotzt Schweiß und massivem Trockennebel Einsatz. CARNATION machen ihre Sache sehr gut und das Publikum, welches bei der Vorband noch fluchtartig den Saal verlassen hat, ist nun komplett anwesend und feiert das Quintett amtlich ab. Den Namen CARNATION sollte man sich als Death Metal Fan unbedingt merken!
FOTOS: CARNATION
Nun ist es endlich an der Zeit und nach einer kurzen Umbaupause kommt das (hoffentlich nicht ganz ernst gemeinte) Intro „You Give Love A Bad Name“ von BON JOVI vom Band und kurz danach DESERTED FEAR auf die Bühne. Die Jungs haben etwas unfassbar sympathisches an sich, denn schon nach kurzer Zeit frisst ihnen das Hamburger Publikum aus der Hand. Auch wenn ganz am Anfang mal Gitarrist Fabian vergisst das richtige Pedal zu treten spielt das eigentlich alles keine große Rolle. Im Gegensatz zur bitterbösen Musik wird sowas von allen mit einem Lächeln kommentiert. Der Einstieg mit „Battalion Of Insanities“ könnte besser nicht sein, und mit „Mortal Reign“ und „Kingdom Of Worms“ kommen gleich die nächsten Kracher. Ich bin etwas erstaunt über die Setlist, denn tatsächlich finden nur drei Songs vom letzten Hammer Album „Drowned By Humanity“ auf eben diese ihren Weg: „All Will Fall“, „The Final Chapter“ und „Welcome To Reality“. Selbst das überragende „Sins Of The Past“ fehlt. Aber das ist Jammern auf ganz hohem Niveau. Wer Vorschlaghammer wie „Field Of Death“, „My Empire“ oder „Nocturnal Frags“ spielen kann brauch sich keine Sorgen zu machen. Getragen wird das Ganze von einem spitzen Sound und einer ausgewognen Lightshow. Der Vierer hat eine immense Spiellaune, bewegt sich auf der Bühne und kommuniziert mit dem Publikum. Und die Dankbarkeit die von Frontmann Manuel kommt ist ehrlich und kommt von Herzen.
Einziger Wermutstropfen: der Auftritt ist schon nach 75 Minuten vorbei!
Es bleibt ein astreiner Death Metal mit einer Enttäuschung (HIEROPHANT), einer guten Überraschung (CARNATION) und einem verdammt starken Headliner. DESERTED FEAR haben einmal mehr unter Beweis gestellt, dass sie zur absoluten Spitzenklasse im Death Metal gehören!