Seit einigen Wochen ist das sehnsüchtig erwartete dritte Album von Atlantean Kodex im Handel und viele Kritiken sind geschrieben und gelesen worden. Auch wir haben Fragen an die Band und danken Sänger Markus Becker, der sich dafür Zeit genommen hat.
Hallo Markus, ist der Interview-Marathon nach einer Veröffentlichung der unangenehmste Teil, oder ist bist du dann einfach froh, dass die Studiophase überstanden und das Produkt im Kasten ist?
Hallo Matthias! Nein, unangenehm ist es sicher nicht, aber recht zeitintensiv, da wir aktuell viele Anfragen bekommen. Und natürlich sind wir heilfroh und glücklich, dass das Teil nach sechs Jahren endlich raus ist, und die Reaktionen bisher sehr positiv ausfallen. Das freut uns ungemein.
Reden wir über „The Course Of Empire“. War die Geburt so hart, dass die Existenz der Band tatsächlich auf dem Spiel stand?
Hinter der Existenz stand zwar mal eine Zeit lang ein Fragezeichen, das ist richtig, aber das hatte nicht so sehr mit dem Songwriting zum neuen Album zu tun, als vielmehr mit den Dingen, die bei den verschiedenen Bandmitgliedern in dieser Zeit im jeweiligen Paralleluniversum so passiert sind. Als dann aber die Entscheidung feststand, dass wir weiter machen, und als die ersten Songideen und -strukturen Form annahmen, machte uns das alles wieder zunehmend Spaß und wir verspürten irgendwann wieder die nötige Euphorie, weil wir von dem Material mehr und mehr überzeugt waren. Bei unserer Arbeitsweise dauert es halt immer etwas länger bis ein Album dann mal im Kasten ist, aber ich denke das Warten hat sich gelohnt.
Als komplettes Album steht für mich „The Course Of Empire“ einen Tick über „The White Goddess“, da es von Anfang bis Ende insgesamt ein unfassbar hohes Niveau hat und gerade nicht eine Übernummer wie „Twelve Stars And An Azure Gown“ herausragt. Wie siehst du das oder bist du gegen solche Vergleiche?
Es stimmt vermutlich, dass das neue Album in Summe noch etwas runder und in sich stimmiger ausgefallen ist, ohne dass eine einzelne Nummer besonders hervorsticht. Subjektiv empfinde ich die Songs alle auf dem gleichen Niveau, auch wenn ich natürlich schon persönliche Faves habe, wie z.B. „He Who Walks Behind The Years“. Dass man die neue Scheibe mit TWG vergleichen würde war klar und das kann man nicht verhindern. Das ist ja bei jeder Band so, mache ich selbst auch nicht anders.
Auffallend ist die Tatsache, dass das neue Album härter und epischer klingt. Eine bewusste Entscheidung oder Folge des Entwicklungsprozesses in den letzten Jahren?
Wir haben weder die Songs noch die Produktion absichtlich in eine bestimmte Richtung gedrückt. Das was auf „TCOE“ zu hören ist, sind ganz einfach die besten AK Songs die uns in den sechs Jahren seit „TWG“ eingefallen sind. Allerdings auch die Einzigen.
Geplant war eigentlich der Titel „Abendland“, wenn diese von mir gelesene Information richtig ist. Möglicherweise habt ihr die Idee auch darum verworfen, um politisch nicht in eine bestimmte Ecke gestellt zu werden. Doch finde ich es unheimlich wichtig, wie ihr die Idee „Europa“ thematisiert und sie auch verfechtet. Dabei ist das Thema aber so komplex, dass es schwerfallen dürfte, Lösungen für die Probleme unserer Zeit in einfacher Form zu geben.
Ja, es stimmt, dass Manuel zunächst den Titel „Abendland“ im Kopf hatte. Aber zu der Zeit war das textliche Konzept auch noch nicht komplett ausgereift, und der jetzige Titel passt dazu einfach am besten. Außerdem dürfte ein Beweggrund sicher auch der gewesen sein, dass wir nicht den Eindruck erwecken wollten, als sei AK in irgendeiner Form eine “politische” Band, oder stünde in einer bestimmten politischen Ecke. Sicher haben wir eine Meinung zum Zeitgeschehen, aber diese findet in den Texten nicht unbedingt direkten Ausdruck. Und wir wollen mit den Texten auch keine Lösung für diese komplexe Thematik anbieten. Die Texte sind eine Mischung aus geschichtlichen Themen und rein fiktionalen Elementen, und dem Hörer steht frei sie auf seine Weise zu interpretieren.
Kommen wir zu den Texten. Das Booklet ist wunderbar gelungen, wobei die Wörter stellenweise schwer zu entziffern sind. Man muss schon sehr genau hinschauen. Absicht oder Zufall?
Also ich glaube nicht, dass Ben Harff, der für uns das Booklet gestaltet hat, vorhatte die Texte irgendwie zu codieren. Wenn diese Art der Kalligraphie dazu anregt genauer hinzuschauen, dann hat er aber wohl alles richtig gemacht.
Jeder Song von euch ist textlich etwas ganz Besonderes. Wie hat man sich das Schreiben dieser pathetischen Lyrics vorzustellen? Habt ihr dabei immer schon im Ohr, wie bestimmte Zeilen mit deiner Stimme klingen werden, oder werft ihr Musikalisches nochmal um, weil es vom Text her nicht passt?
Das wäre eher eine Frage für Manuel, der die meiste Musik und die Texte schreibt. Ich würde aber sagen, in der Regel kommt zuerst die Musik und dann erst der Text. Die Arrangements werden aber häufig noch x-Mal umgestellt, bis Musik und Texte die gewünschte Einheit bilden. Wenn ich die Songideen das erste Mal zu hören bekomme hat Manuel meist schon eine sehr konkrete Vorstellung von den Lyrics und auch den Gesangslinien, die wir dann zusammen ausarbeiten.
Du vermittelst stimmlich eine unglaubliche Atmosphäre auf den beiden letzten Alben und hast definitiv noch einmal qualitativ zugelegt. Hat diese Weiterentwicklung damit zu tun, dass der Druck auf die Band und natürlich auch auf dich, als stimmliches Aushängeschild, gestiegen ist oder verbessert sich ein Sänger von Album zu Album automatisch, weil man immer dazulernt?
Danke für das Kompliment. Sicher habe ich in den letzten Jahren noch einiges gelernt, man will sich ja auch immer etwas entwickeln. Ein wichtiger Faktor war aber auch, dass ich dieses Mal wesentlich mehr Zeit für die Aufnahmen und im Prinzip den Luxus hatte, die Sachen dann aufzunehmen, wenn es gerade am besten gepasst hat. Ich konnte viele Details in Ruhe ausarbeiten, und ich denke das hat sich ausgezahlt. Druck habe ich dabei aber weniger verspürt. Das Feilen an den Sachen hat mir eigentlich sehr viel Spaß gemacht. Der Druck lag im Entstehungsprozess eher auf Manuel, als dem Hauptsongwriter und Texter.
Ihr seid bekannt dafür, keine Tourband zu sein und auch nicht auf jedem Festival spielen zu wollen. Wie sollte die Livepräsenz von ATLANTEAN KODEX deiner Meinung nach sein?
Ich denke wir haben da für uns die richtige Mischung gefunden. Eine echte Tour kommt für uns aus zeitlichen Gründen nicht in Frage und wir haben da auch schon das ein oder andere lukrative Angebot abgelehnt. Wir werden aber dieses und nächstes Jahr einige Festivals in Deutschland spielen, aber auch einige kleinere Club Gigs, letztere vornehmlich im europäischen Ausland.
Ich habe in meiner Review geschrieben, dass ich gerne bereit wäre fünf Jahre auf ein neues Album zu warten, wenn es wieder eine solche Offenbarung wie „The Course Of Empire“ wird. Kannst du mir und ähnlich Denkenden Hoffnung machen?
Aktuell denken wir nicht über so etwas nach, sondern nehmen jetzt erst mal den Schwung des neuen Albums mit. Es ist vermutlich schon ein Wunder, dass wir es bisher auf drei full-length Alben gebracht haben und ich kann dir wirklich nicht sagen was in fünf Jahren sein wird. Wenn wir aber weiterhin in der Lage sind Songs auf ähnlichem Niveau zu schreiben, wer weiß was dann die Zukunft bringen mag…
Markus, vielen Dank für deine Zeit und eure Musik!
Vielen Dank für das Interview und den Support!