„Ein Klavier, ein Klavier!“ Kennt Ihr dieses Gefühl, eine Idee zu haben, die so genial ist, dass Ihr Euch fragt, warum bisher niemand anderes darauf gekommen ist? Mir ist dieses Gefühl allzu vertraut. Nur leider stelle ich dann in der Regel fest, dass niemand vor mir diese Idee umgesetzt hat, weil sie doof ist oder ich zumindest an ihrer Tragfähigkeit zweifeln sollte.
MY OWN PRIVATE ALASKA haben sich von keinerlei Zweifeln beirren lassen und eine Metalcore-EP herausgebracht, die komplett ohne Gitarren auskommt. Während „Your Shelter“ noch den Charme eines Intros versprüht, ist spätestens bei „There Will Be No One“ klar, dass das jetzt für den Rest der Scheibe so weitergeht. An der Umsetzung ihrer Idee von „Pianocore“ [sic] gibt es für mich nichts zu meckern. Tristan Mocquet, der Mann am Piano (oder am Flügel?), versteht definitiv sein Handwerk und zaubert einige wunderschöne Klaviermelodien aus einen zehn Fingern. Auch Sänger Matthieu Miegeville singt, leidet und schreit souverän und emotional in allen Facetten, die ein guter Metalcore-Shouter beherrschen muss. Allerdings eben nicht gegen fette Gitarrenwände und über brutale Breakdowns, sondern gegen Piano Keyboard, Bass Keyboard und Drums. Diese Mixtur funktioniert wesentlich besser, als es wahrscheinlich die Vorstellung oder das Lesen dieser Zeilen transportieren. Gerade der letzte Song „Ego Zero“ ist enorm facettenreich, was zuallermeist dem Gesang geschuldet ist, mit dem die Musik in dieser Musik in dieser experimentellen Form steht und fällt.
Der Mangel an Gitarren wird viele Hörer:innen verschrecken, die Musik ist emotional und wunderschön vorgetragen, aber eben auch sehr „weird“. Ob das über die Spieldauer einer EP hinaus ohne Längen wirklich hörbar wäre, ist fraglich. Diese Musik ist in jedem Falle eine interessante Antwort auf die Frage, wie Metal ohne Gitarren klingen würde – allerdings eben eine Frage, die sich nur wenige ernsthaft gestellt haben dürften. Es braucht definitiv Chuzpe, um eine solche Idee umzusetzen, und musikalisches Talent, um sie derart inbrünstig vorzutragen. Letztlich ist „Let This Rope Cross All The Lands“ aber eher Nischenmusik als das nächste große Ding. Fesselnd, aber sicher nichts für eine breite Masse an Hörerschaft. Wer etwas Neues ausprobieren will, sollte definitiv reinhören und der Scheibe ein paar Durchläufe gestatten.
MY OWN PRIVATE ALASKA – LET THIS ROPE CROSS ALL THE LANDS
Fazit
Für ganz aufgeschlossene sind MY OWN PRIVATE ALASKA eine feine Sache!