FEUERENGEL / STEINWERDER CRUISE TERMINAL, HAMBURG

Billing

Feuerengel

Ort

Steinwerder Cruise Terminal, Hamburg

Datum

02.07.2021

Bilder

Toni B. Gunner

Das wird mein erster Konzertbericht seit über einem Jahr! Mein letztes Konzert war die KORN Cover Band LIFE IS PEACHY, die ich im Rahmen meiner persönlichen Auszeit kurz vor Weihnachten 2019 im australischen Brisbane gesehen habe. Es konnte ja niemand ahnen was ein paar Monate später in der Welt los sein sollte. Umso ironischer die Tatsache, dass meine Rückkehr als Pressefuzzi bei Konzerten auch wieder bei einer Cover Band stattfinden sollte. An dieser Stelle noch einmal viele Dank an Norbert Pfeifer vom „Musikmag„, der mich kurzfristig als Schreiberling akkreditierte, sowie an Toni B. Gunner, die einen Teil ihrer Fotos für diesen Bericht zur Verfügung stellte.

Seit dem letzten Jahr gehen Rock und Metal Fans in Bezug auf Konzerte generell am Stock. Festivals können bzw. dürfen nicht stattfinden, ebenso verhält es sich mit anderen Open Air Konzerten, und von kleineren Club Gigs wollen wir gar nicht erst anfangen. Klar, auch andere Musikrichtungen leiden darunter, aber gerade für uns Metalheads sind eben diese Großveranstaltungen nicht selten das Highlight des Jahres. Schon 2020 versuchte die HockeyPark Betriebs GmbH & Co KG. aus Mönchengladbach den Spagat. Trotz der Pandemie ein Konzert unter freiem Himmel stattfinden zu lassen, dabei aber auch immer an die Gesundheit der Besucher zu denken und natürlich auch allen staatlichen Auflagen zu erfüllen. So wurde eine recht hohe Bühne entworfen, vor der man eine beachtliche Anzahl an Strandkörben positionierte. Alle mit Abstand, und gewisse Vorgaben wie man sich als Besucher in bzw. an seinem Strandkorb zu verhalten hat.
Das Konzept hatte Erfolg, und so werden diese sogenannten Strandkorb Konzerte auch im Jahr 2021 stattfinden. Und eben nicht nur in Mönchengladbach, sondern an insgesamt 15 Standorten in ganz Deutschland. In meiner Heimatstadt Hamburg hat man sich mit dem Areal des Cruise Center Steinwerder mitten im Hamburger Hafen eine wirklich einmalige Location ausgesucht. Das Ambiente zwischen den Hafenkränen und gewaltigen Pötten ist schlicht atemberaubend.
Am heutigen Abend spielen FEUERENGEL zum Tanz auf, und es sind von den 600 Strandkörben (á 2 Personen) 550 reserviert. Nicht ganz ausverkauft, aber die Stimmung ist schon vor Beginn gut und ausgelassen. Eine Vorband gibt es nicht, dass kenn ich aber auch nicht anders bei den Konzerten der (meiner Meinung nach!) besten RAMMSTEIN Tribute Band die es gibt. So gibt es einen “Anheizer”, der 20 Minuten vor Showstart mit dem Publikum kleinere Spielchen spielt und die Laune hoch hält. Die Strandkörbe stehen mit genug Abstand zueinander, an der einen Seite gibt es einen Spender um sich die Hände zu desinfizieren, an der anderen Seite ist eine Kühlbox befestigt. Der Knaller: die Kühlbox kann man sich bereits vor dem Konzert mit Getränken füllen lassen. Denn einen Tresen oder einen Bierwagen gibt es natürlich nicht! Die Besucher bleiben das Konzert über an ihrem Strandkorb, eine Maskenpflicht besteht nur beim betreten, wenn man das Gelände wieder verlässt und wenn man zwischendurch mal zur Toilette muss. Gehen die Getränke zur Neige kann man auch nachordern. Das funktioniert per Handy, bezahlen muss man elektronisch und für mindestens 10 Euro, aber dafür bekommt der Besteller das Gewünschte direkt an den Strandkorb gebracht. Eine wirklich starke Sache!
Es wird 20.00 Uhr, so langsam steigt die Spannung und mit “Deutschland” legen FEUERENGEL dann auch direkt los. Es ist noch recht hell, so dass die ersten Pyro Effekte zwar ihren Zweck erfüllen, durch das noch vorhandene Sonnenlicht aber schon etwas abgeschwächt wirken. Als Presseheini habe ich das Privileg, in der zweiten Reihe der Strandkörbe vor der Bühne zu sitzen. Das klingt im ersten Moment zwar super, hat aber auch Nachteile. Denn der Sound ist direkt vor der Stage so basslastig, dass wirklich alles andere untergeht. Meine erste Vermutung, dass der Sound generell eher schlecht ist, bewahrheitet sich nicht, denn im Nachgang wird mir berichtet, dass bereits 4 bis 5 Meter hinter meinem Standort der Sound ausgewogen und gut ist. Ein weiterer (kleiner) Nachteil ist, dass die Bühne wirklich extrem hoch ist, ich schätze vier bis fünf Meter. Durch diesen Winkel bleibt mir das ein oder andere Gimmick auf der Bühne verborgen, und ich muss (wie aber viele andere auch) den Blick zu den Leinwänden rechts und links der Bühne werfen um Details erkennen zu können.
Ohne Pause geht es dann direkt mit “Feuer Frei” weiter, und prompt verhaut Sänger Boris dann auch eine Zeile des Textes. Das kann man verschmerzen, denn nach dem Song gibt es eine kurze Ansage, dass dies der erste Auftritt seit elf Monaten ist. Und außerdem bin ich der Meinung dass zu einem richtigen Live Konzert auch immer ein kleiner Verspieler und/oder Versinger gehört. Also, alles halb so wild, und es folgen “Weißes Fleisch”, “Asche zu Asche”, “Keine Lust” und “Zeig Dich”. FEUERENGEL sind eine eingespielte Band und trotz der langen Zeit ohne Konzerte (und höchstwahrscheinlich auch nur wenigen Proben) läuft alles wie am Schnürchen. Das Publikum geht auch richtig gut mit, mittlerweile stehen nahezu alle (!) vor ihren Strandkörben und der Körper wird mal wieder richtig durch bewegt.
Es folgt “Ich tu Dir weh”, bei dem der neue Keyboarder Chris in eine Wanne aus Metall klettern darf, bevor Frontmann Boris selbige mit einem Eimer voll Funkenregen übergießt.
Weiter geht es mit einem Klassiker vom ersten Album von Rammstein, nämlich “Wollt ihr das Bett in Flammen sehen”, und einmal mehr beweist sich das Publikum als sehr textsicher. Nach dem Lied entsteht eine kurze Pause, und eine weibliche Zuschauerin wünscht sich lautstark Nachwuchs von einem der Bandmitglieder. Während Bassist Holger dies mit Gesten und Worten lautstark verneint, lachen sich seine Kollegen den Ast ab. Überhaupt geht es bei FEUERENGEL auch immer wieder lustig zu. Beste Szene hierfür: bei “Mein Teil” darf Tastenmann Chris in den riesigen Kochtopf klettern, bevor Sänger Boris ihm mit einem Flammenwerfer ordentlich einheizt. Als er eben dieses Flammenwerfer von einem Roadie auf der Bühne mitten im Song übergeben bekommt, fragt er recht laut aber sehr ernst: “Geht der noch?” Ein Spruch, der auch noch nach dem Konzert für jede Menge Lacher sorgt.
Weitere Songs folgen, es wird dunkler und die Pyro Effekte sowie die Lichtshow kommen immer besser zur Geltung. Die Spielfreude bei jedem der sechs Musiker ist auch ohne einen Blick auf die Leinwand zu erkennen, und das Publikum feiert die Band und sich selbst ab.
Dies gipfelt darin, dass nach dem Song “Sonne” das Publikum “Oh wie ist das schön” anstimmt. Anfangs noch etwas verhalten und unkoordiniert, aber nach einer Minute aus voller Brust und viel Überzeugung. Und ich habe den Eindruck, dass dies wirklich ernst gemeint ist. Dieses Gefühl eines Konzerts, laute Musik unter freiem Himmel, vielleicht auch Treffen mit Bekannten die man ewig nicht gesehen hatte…… es fühlt sich wieder “normal” an in diesen komischen Zeiten. Und auch die Band ist gerührt von diesem Moment, die Musiker stehen sichtlich beeindruckt am Bühnenrand und einige Helfer zücken die Handys um diesen Moment festzuhalten.
Nach “Du Hast” und “Ich Will” verlassen FEUERENGEL dann erstmal die Bühne. Da die offizielle Spielzeit von zwei Stunden aber noch nicht durch ist, kommen die sechs Herren zurück und geben noch ein paar Stücke zum Besten. “Mein Herz Brennt” kommt als erstes, der Bengalo von Sänger Boris brennt beeindruckend lange und im Strandkorb vor mir hat ein Fan seinen Mosh Stil zu einem beachtilichem “eingesprungenem Headbanging” weiter entwickelt. Respekt!
Weiter geht es mit “Ausländer” und “Du riechst so gut”, bevor die komplette Band die erste Strophe von “Engel” nahezu akustisch zum Besten gibt. Der Clou: das Publikum singt den Text! Eine schöne Variante, denn danach wird der Track in seiner ursprünglichen Version dargeboten, in dem FEUERENGEL nochmal alles an Pyros verballern was die Gasflaschen hergeben. Ebenso darf Schlagzeuger Xoph mit Funken Sprühenden Drumsticks den Set beenden.
Als das Keyboard so langsam ausfaded kommt die Band ein letztes Mal auf die Bühne um sich zu bedanken und zu verabschieden. Doch dabei bleibt es nicht, denn auch alle Helfer dürfen zum Abschied auf die Bühne kommen, und FEUERENGEL bedanken sich bei wirklich allen Beteiligten. Gerade in diesen Zeiten eine wirklich tolle Geste.
Das Konzert ist zu Ende, strömen nun alle dem Ausgang entgegen? Nein, denn auch hier hat sich der Veranstalter etwas überlegt, damit die Zuschauer Abstand halten und es nicht zu Massenaufläufen kommt. Wie beim Bingo werden die Nummern der Strandkörbe gezogen, und so setzt sich immer nur eine bestimmte Anzahl von Personen in Richtung Ausgang in Bewegung.
War ich anfangs noch skeptisch ob das Konzept mit den Strandkörben wirklich aufgeht, kann ich zum Abschluss nur sagen, dass das alles Hand und Fuß hat und extrem diszipliniert organisiert ist. Auch die Stimmung unter den Zuschauern wird gut übertragen und es überwiegt dieses gute Gefühl endlich mal wieder Live Musik genießen zu können.
FEUERENGEL tragen ihren Teil dazu bei, wirken trotz allem sehr gut eingespielt und die Spielfreude ist nicht nur spürbar sondern auch sichtbar. Es soll kein Dauerzustand sein, aber wer seinen Konzertmangel auskurieren will sollte in seiner Umgebung schauen, ob die Strandkorb Konzerte in seiner Nähe stattfinden. Und zu FEUERENGEL kann ich sowieso nur jedem raten, der sich zu RAMMSTEIN hingezogen fühlt. Näher kommt man an das Original nämlich nicht heran!

Not everyone likes Metal - Fuck them!!!