Mit einem unbändigen Doro-Hellbound-Gedächtnisschrei leitet Frontfrau Sarabeth Linden die neue LP von Tower ein und was danach folgt, ist eine vierzigminütige Lehrstunde in Sachen Spielfreude. Bereits der Opener „Blood Moon“ trifft einen unverhofft und lässt überhaupt keine Fragen bezüglich der Qualität dieser Scheibe aufkommen. Beim folgenden „Prince Of Darkness“ schaltet die Band zwar einen Gang zurück, doch die Reibeisenstimme von Sarabeth verleiht diesem Song so viel Metall, dass man sich an beste Chastain-Zeiten erinnert fühlt, als Leather Leone die Männer dominierte metallische Gesangswelt aufwirbelte.
Wie aus einem Guss klingt „Shock To The System“, dabei war die Fertigstellung des zweiten Albums eine schwierige Angelegenheit, denn mitten in den kreativen Songwriting-Prozess krachte die volle Wucht der Pandemie, die den New Yorkern bekanntlich alles abverlangte. Dadurch zog sich die Fertigstellung zwar in die Länge, aber genügend Ideen für Texte lieferten die letzten beiden Jahre reichlich. Gerade die Erfahrungen mit Isolation und Einschränkungen persönlicher Freiheit sind nicht spurlos an der Band vorübergegangen. Das Cover drückt diese Gefühlswelt deutlich aus. Glücklicherweise haben TOWER den Härtegrad belassen. Sie leugnen ihre 70er Trades nicht, aber „Shock To The System“ ist von vorne bis hinten Heavy Metal, der stets gnadenlos nach vorne gespielt wird und einem kaum Luft zu atmen lässt. Die Gitarren braten sich fett ihren Weg durch die Boxen und James Jones am Schlagzeug ist der große Antreiber im Hintergrund. Abgehnummern wie das unwiderstehliche „Running Out Of Time“ oder „Hired Gun“ glänzen dabei ebenso wie die im Tempo etwas gemäßigten Nummern. Über allem thront der majestätische Hammer-Gesang, an dem ich mich überhaupt nicht satt hören kann. Sarabeth Linden könnte auch die Gebrauchsanleitung eines Feuermelders vorsingen und es würde geil klingen.
Abschließend kann ich nur sagen, dass TOWER mit ihrem zweiten kompletten Album vielleicht die Scheibe des Jahres abgeliefert haben, was traditionellen Metal angeht. Die Band klingt unheimlich frisch, dynamisch und unverbraucht, die Songs zünden durchweg beim ersten Hören und nutzen sich in keiner Weise ab. Das ist der Stoff aus dem Klassiker-Alben gemacht sind!