EIN NACHRUF – KRITIK ERLAUBT?

Am Samstag, den 19. November 2021, verstarb mit nur 49 Jahren Hans-Erik „Hertis“ Dyvik Husby, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Hank Von Helvete. Der ehemalige Frontmann von TURBONEGRO hatte seit 2018 versucht, mit seinen Solo Alben wieder Fuss in der Szene zu fassen, was ihm ein Stück weit gelang.

Nun passiert das, was in den letzten Jahren eigentlich immer passiert, wenn ein (halbwegs) berühmter Musiker frühzeitig verstirbt: die Nachricht findet blitzschnell ihren Weg über soziale Netzwerke. Fanpages, Bandseiten und News Magazine entfachen ein Lauffeuer, dem man sich nur schwer entziehen kann. Vorausgesetzt natürlich, man bewegst sich bei Instagram, Facebook, Twitter undsoweiter. Aber selbst die sogenannte „Yellow Press“ nimmt solche Informationen mittlerweile gerne auf, und so erscheint die Nachricht des Tods von Hank eben auch z.B. auf der Homepage von Gala, Promiflash oder bei renommierten Nachrichten Plattformen wie Spiegel, RP Online oder den Stuttgarter Nachrichten.

Die Anteilnahme ist groß, Musikerkollegen, Fans und Sympathisanten trauern und es werden Videos der Band, Fotos mit dem Sänger oder anderen Andenken gepostet. Es wird beschrieben, was die Musik oder der einzelne Song für einen bedeutet oder welche Erinnerungen damit verbindet.

Eine Legende wird erschaffen, und man zollt dem jüngst verstorbenen Sänger und Schauspieler Tribut.

Aber was macht man mit den anderen Tatsachen, die bei der Person Hank Von Helvete eben auch eine Rolle spielten? Kehrt man die unter den Teppich? Übersieht man das im Angesicht der Trauer? Darf man bei einem Nachruf auch kritische Töne schreiben?

Dass Hank schwer Heroin abhängig war, woran TURBONEGRO 1998 mitten auf einer Tour in Italien auch erstmals zerbrachen, ist kein Geheimnis. Allerdings ist er damit im Rock/Metal ja nun wirklich nicht der Einzige, weswegen diese Tatsache eigentlich nur eine Randnotiz sein sollte. Weitaus schwerer wiegen allerdings seine homophoben Aussagen aus einem Interview 2007. Diese waren so untragbar, dass sich die norwegische Fanseite von TURBONEGRO aus Protest geschlossen hat. Des Weiteren muss man auch seine Mitgliedschaft bei Scientology erwähnen, die ihm laut eigenen Angaben bei seinem Drogenentzug geholfen haben soll (in Deutschland wird diese Sekte in mehreren Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet). Auch dies war einer der Gründe, warum sich TURBONEGRO zum zweiten Mal im Jahre 2010 auflösten.
Ebenfalls verbrieft sind seine Reden die er bei der Jugendbewegung der norwegischen Partei FrP gehalten hat. Die FrP („Fremskrittpartiet“) ist eine politische Partei des rechten Spektrums in Norwegen. Obendrauf hat er in den letzten Jahren gerne auch Twitter Postings von Richard Spencer retweetet. Spencer ist ein amerikanischer „White Supremacy“ Aktivist.

Das sind alles Tatsachen, bei denen man eher zu der Überzeugung kommen kann, dass Hank eben auch einige sehr krude, konservative Ansichten hatte. Um es mal vorsichtig zu formulieren.

Zu TURBONEGRO Zeiten war Hank die personifizierte Rampensau, und zwar in jeder nur erdenklichen Art. Zungenküsse von der Bühne mit dem Publikum, Wunderkerze in den Arsch…..der Mann machte alles mit. Gesanglich richtig gut, und wenn er die Bühne betrat, dann hatte er ein Aura an sich, die nur wenigen Frontleuten im Metal/Rock Bereich vergönnt sind. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet und das Publikum fraß ihm aus der Hand. Ja, der Mann war als Sänger und Frontmann eine Ausnahmeerscheinung.

Und wieder sind wir an dem Punkt angekommen, der in den letzten Jahren auch immer wieder auftaucht. In welchem Maß kann (oder muss?) man Künstler und die Werke getrennt voneinander betrachten?

Phil Anselmo, Jon Schaffer, Peter Tägtgren, Michale Graves…. nur einige Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit, die mit Äußerungen oder Taten für äußerst negative Schlagzeilen gesorgt haben.

Manchmal fällt es einfach, sich ein Urteil zu bilden. Wer mit der Musik von ICED EARTH noch nie etwas anfangen konnte, der hat auch kein Problem den Stab über Jon Schaffer zu brechen. Aber wie geht man damit um, wenn es die Lieblingsband/künstler ist?
Verbrennt man seine Platten und schmeißt die T-Shirts weg?
Ignoriert man es einfach und geht solchen Diskussionen beim nächsten Metal Stammtisch (on- oder offline) aus dem Weg?

Es ist und bleibt eine schwierige Frage, für die es meiner Meinung nach auch keine universelle Antwort gibt.

Ich bin allerdings auch der Auffassung, dass jeder Musiker, der auf einer Bühne steht oder Platten verkauft, eine gewisse Verantwortung trägt. Rock bzw. bzw Metal Musik war schon immer (gerade in den Anfangstagen!) ein Zeichen der Rebellion gegen die Obrigkeiten, gegen eine spießbürgerliche Gesellschaft. Kutten, lange Haare, T-Shirts mit Monstern oder sonstigen brutalen Motiven dienten der Abgrenzung und ja, auch der Provokation. Und darum sollten auch Metal Musiker ihre Stellung nutzen um auf gesellschaftliche Differenzen, lokale Probleme oder globale Ungerechtigkeiten hinweisen.

Rechtsextreme, nationalistische oder faschistische Tendenzen haben im Metal nichts verloren. Metal war schon immer bunt, Metal wird überall auf der Welt gespielt und gehört, und wer meint damit noch provozieren zu müssen gehört verbannt, und sein Name sollte für alle Zeit totgeschwiegen werden.

Um diese Kolumne abzuschließen: Ruhe in Frieden, Hank Von Helvete. Ich werde auch immer mal wieder ein paar TURBONEGRO Songs hören, aber menschlich gesehen wären wir beide nie Freunde geworden.

Not everyone likes Metal - Fuck them!!!