Im Jahr 2017 heimsten sie nach mehreren Nominierungen erstmalig den Grammy für die „Best Metal Performance“ ein, „Hushed And Grim“ soll nun nach „Emperor Of Sand“ der nächste Schritt vorwärts in ihrer Karriere werden. Die Vorzeichen stehen gut, Rock Hard und Metal Hammer haben das neunte Album von MASTODON bereits zum Album des Monats gekürt, ersteres Magazin spricht gar von einem Kandidaten auf den Titel „Album des Jahres“. Kann „Hushed And Grim“ diesen Vorschusslorbeeren überhaupt gerecht werden, und wenn ja, wie? Erstmalig in ihrer Diskographie bringen MASTODON ein Doppelalbum heraus, erstmalig sieht das Albumcover nicht aus, als hätte der Künstler während des Entstehungsprozesses mehrmals eine Apotheke überfallen. Nicht, dass mir die hippiesken Farbbomben, die „Once More Round The Sun“ und „Emperor Of Sand“ zierten, nicht gefallen hätten. Aber dieses monochrome Grau, dass die neue Platte einhüllt und so wunderbar zum Albumtitel passt, hat es mir sofort angetan und passt meines Erachtens nach noch wesentlich besser zu den Bildern, die MASTODON schon seit unserer ersten Begegnung in meinem Kopf erzeugen.
Das Album beginnt zunächst – gemessen am bandeigenen Katalog – konventionell, oder anders gesagt: „Pain With An Anchor“ klingt nach MASTODON. Auch die Anleihen an Folk und Country, wie sie „The Beast“ prägen, sind aus dem Klangkosmos der Band nicht wegzudenken.„Skeleton Of Splendor“ ist ein ruhiger Song, der vom Wechselspiel der Sänger geprägt ist. „Teardrinker“ bleibt über weite Strecken sehr eingängig, wenn da nicht doch irgendwann die typischen Breaks kämen, könnte der Song glatt im Rockradio laufen, ohne anzuecken – glücklicherweise kommen sie. „Pushing The Tides“ geht wieder nach vorne und klingt über weite Strecken gar ziemlich straight. Aber wo andere Bands sich mit einem guten Song zufrieden gäben, setzen MASTODON noch einen drauf und verwandeln einen guten Song in ein progressives Monster. „Had It All“ ist wohl der Song, der am nächsten an eine „Ballade“ herankommt und könnte tatsächlich dieser Song sein, den Nicht-Metaller „auch ganz schön finden“. Nahezu ohne jegliche progressive Weirdness, dafür mit einer wunderschönen Cleangitarre, gefühlvoll gehauchtem Gesang und einem ergreifenden Refrain. Obwohl auch hier die SLUDGE-Wurzeln der Band deutlich zum Vorschein kommen – wenn es einen MASTODON-Song gibt, bei dem ich mir ein Meer aus Feuerzeugen vorstellen kann, dann ist es dieser.
Bei all den Schritten in Richtung fokussierterem Songwriting und Eingängigkeit bieten Mastodon immer noch Musik für Gitarrenlehrer:innen und Menschen, deren Lieblingsbeschäftigung es ist, komplexe Rhythmen mitzuzählen oder darüber zu streiten, welchem Genre eine Band jetzt genau zuzuordnen ist – und immer noch viel mehr als das. „Hushed And Grim“ ist voller Riffs und Melodien, die tief unter die Haut gehen und sich für Wochen in den Gehörgängen festbeißen. Was die Kunst des Songwritings betrifft, progressiv und interessant zu bleiben, ohne sich in endlosen Wiederholungen oder Frickelorgien zu verlieren, mach MASTODON mittlerweile kaum mehr eine Band etwas vor. Dass die Band keinen Frontmann im klassischen Sinne hat, bleibt ein weiteres ihrer Alleinstellungsmerkmale. „Hushed And Grim“ ist für mich der bisherige Zenit ihrer Diskographie. Spannend bleibt die Frage, wie die Zukunft dieser Band aussehen mag. Ob sie wie die Metalgötter METALLICA auf ihrem kompositorischen Höhepunkt („…And Justice For All“) in Richtung Radiotauglichkeit abbiegen und ihr eigenes „Black Album“ schreiben, oder ob sie ihren individuellen Weg weiter gehen, es bleibt spannend. „Hushed And Grim“ wird in jedem Fall die Messlatte für ihr weiteres Schaffen sein.