Wir schreiben das Jahr 2022. Auf der gesamten Welt ist Heavy Metal in all seinen Schattierungen eine etablierte Subkultur, die mal mehr und mal weniger Aufmerksamkeit von großen Teilen der Gesellschaft bekommt, die sich sonst mit dieser Musik überhaupt nicht auseinandersetzt.
Auf der ganzen Welt? Nein!
Denn in einer kleinen Stadt mit dem Namen Lexington in Tennessee, USA, sorgt ein Metal Festival für Wirbel! Und glaubt man einigen Kommentaren in sozialen Netzwerken, dann werden sich am 08.10.2022 in Lexington die Tore zur Hölle öffnen.
Es ist leider kein Witz, auch wenn es sich vielleicht danach anhört. Die beiden Veranstalter, Raven Moonla und Zachary Moonshine, kommen aus eben diesem Lexington. Seit knapp 10 Jahren sind sie Eigentümer und Betreiber von „Metal Devastation Radio“, einem Online Radio Sender der weltweit empfangen wird. Darüber hinaus haben sie mit „MD/PR“ ihre eigene Promotion Firma und operieren hier ebenfalls international.
Für ihren großen Traum, ein Metal Festival auf die Beine zu stellen, wählten sie ihre Heimatstadt. Durchliefen alle Behördengänge, bekamen die entsprechenden Genehmigungen und kümmerten sich um die immense Organisation, die so ein Festival mit sich bringt. Auch wenn es nur für ein paar hundert Leute konzipiert ist.
Und auch die Werbung läuft bereits, seit über 6 Wochen schon, das „Tennessee Metal Devastation Music Fest“
Doch nun ist ein Pastor auf das Festival aufmerksam geworden, und der „gute“ Mann hatte nichts besseres zu tun als Panik unter seinen „Schäfchen“ zu schüren. Ein weiter Pastor steigt auf den Zug auf, und nun nimmt das Übel seinen Lauf. Zusammen erschaffen sie eine Atmosphäre von Angst und Wut, und die christlichen Menschen (bzw. alle die sich dafür halten) gehen auf die Barrikaden. Und was sich da teilweise in den sozialen Medien abspielt, ist schon besorgniserregend. Das die Anonymität des Internets ein bekannter Hort dafür ist, kruden Ansichten und Ideologien in die Welt zu trommeln, ist mittlerweile nichts Neues. Dorftrottel gab es schon immer, aber nun haben die ein Medium über das sie ihre geistige Inkontinenz ausleben können.
Das wirklich Schlimme an dieser konkreten Situation ist allerdings mit welch Vehemenz hier vor gegangen wird. Denn unter dem Deckmantel der beiden christlichen Kirchen wird hier aus wirklich allen Rohren geschossen. Inklusive Vorwürfen, hier würden satanistische Rituale initiiert werden um überhaupt Einlass zu bekommen, dass „Devastation“ (= Zerstörung/Verwüstung) dort durchgeführt wird, und was sollen überhaupt die armen Kinder davon halten?
Ich muss nicht dazu erwähnen, dass bei dieser sich passender Gelegenheit natürlich auch auf alles andere eingedroschen wird, was nicht in das konservative Christentum Bild passt.
Allein die Tatsache, dass die beiden Veranstalter sich öffentlich dafür entschuldigen, dass die Verwaltungsbeamten des Örtchen Lexington sich allerlei Beschimpfungen und Bedrohungen anhören dürfen von besorgten Bürgern zeigt, wie hoch die Wellen mittlerweile geschlagen sind.
Selbst ins lokale Fernsehen hat es das Festival mittlerweile geschafft (klick!).
Ich fühle mich teilweise wieder in 80er und frühen 90er Jahre zurückversetzt. Selbstmord weil ich JUDAS PRIEST gehört habe, ich schlachte Babys ab weil ich mir CANNIBAL CORPSE Platten anschaue, oder ich gehe mit Sturmgewehren bewaffnet in die nächste High School weil auf dem Walkman MARILYN MANSON läuft. Das hatten wir alles schon, bei uns, bei denen, überall, und am Ende wurde immer die Musik bzw. die Kunst freigesprochen. Und zwar zurecht!
Eine neue Hexenjagd ist also eröffnet. Und die Tatsache, dass wir hier eben von den USA sprechen hinterläßt ein mehr als mulmiges Gefühl. Leider lassen es die Gegebenheiten in diesem Land nunmal zu, dass man seinen Worten auch schnell mal mit Waffengewalt Nachdruck verleihen kann. Aber ich will hier auch niemanden pauschal vorverurteilen. Hoffentlich bleibt es einfach dabei, dass sich hier wirklich nur ein paar stramme Heuchler mal wieder auskotzen wollten, und das Festival in Lexington ohne Probleme und Zwischenfälle stattfinden kann.
Wer also zufällig Anfang Oktober in Tennessee sein sollte, kann den Event mit seiner Anwesenheit unterstützen. Aber auch sonst kann man ja mit Klicks oder Diskussionsbeiträgen seine Solidarität zeigen. Die ist zwar auch schon erfolgt, und ja, das ist natürlich auch eine prima Werbung, aber ich denke die beiden Veranstalter (Metalheads durch und durch) haben es verdient dass man ihnen in diesen Zeiten beisteht. Und wer weiß, wo die nächste Sau durchs Dorf getrieben wird, und Heavy Metal als Sündenbock herhalten muss. Denn eins haben diese schlimmen Anfeindungen der Metal Szene immer gezeigt: wenn Zusammenhalt erforderlich war, hat es den auch gegeben!