Wer die Karriere der Punk-Götter RAMONES verfolgt hat wird auch RICHIE RAMONE kennen, obwohl der mittlerweile 65-jährige US-Amerikaner nur vier Jahre (1983-1987) hinter der Schießbude Platz nahm. Er arbeitete seit seinem damaligen Ausstieg als Buch-Autor, Schauspieler oder schrieb ein paar Songs für Soundtracks. Aber ansonsten war er für die Musik-Fans eigentlich weg vom Fenster, wie man so schön sagt. 2013 überraschte er aber mit einem ersten Soloalbum „Entitled“, dem drei Jahre später mit „Cellophane“ ein weiteres folgte.
Jetzt erscheint also sein drittes Solo-Ding und logischerweise ist sein Name immer noch mit den RAMONES verbunden, was ganz sicher so vom Künstler selbst gewollt ist, denn sonst würde er seine Musik ja bestimmt unter einem anderen Namen veröffentlichen. Aber, soviel schonmal vorweg, rein stilistisch sind nur wenige der neuen Stücke mit dem old school-Punk der RAMONES vergleichbar.
Ein wenig ruhiger ist er geworden, und wären da nicht Songs wie „Not Afraid“ oder „Suffocate“ auf der Platte, würde ich das Wort Punk nicht mehr gerne in den Mund nehmen. Meines Erachtens ist „Live To Tell“ nicht mehr als eine, zugegebenermaßen, ordentliche Allround-Rock-Scheibe. Aber halt auch nicht weniger! Da sind auch keine zweieinhalb Minuten- oder noch kürzere Nummern dabei, die wie „hingerotzt“ klingen. Nö, die allermeisten Songs wirken melodisch durchdacht, gehen deshalb auch sofort ins Ohr, sind tanzbar und weisen Stilelemente aus dem Hardrock („Old Ways“ oder „Other Things“) oder gar Country auf, wie etwa beim tollen „I Sit Alone (Yeah Yeah)“. Wer auf die Musik von Billy Idol steht, dem dürfte auch diese Platte gefallen, auch weil die Stimme des Drummers in die Richtung der Gummi-Lippe tendiert. Mit „Cry Little Sister“ nahm Richie für einen neuen Horror-Film zudem einen Kult-Song aus dem berühmten Vampir-Film „The Lost Boys“ (1987, im Original von Gerard McMahon) noch einmal auf, der stilistisch aber perfekt zu dem Musiker passt (siehe Video). Kann man sich also insgesamt ganz gut mal geben.