Ich musste, bevor ich diese Zeilen in die Tasten haute, ehrlich gesagt ein paar mal tief durchatmen. Nicht, weil ich diese Musik grottig finde, ganz im Gegenteil sogar. Nö, ich habe überlegt, ob dieses großartige Album die Höchstwertung verdient hat. Es lief in den letzten Wochen gefühlt 100 mal zuhause im Büro, im Auto oder auf der Anlage im Wohnzimmer, ich war regelrecht süchtig danach! Und bin es tatsächlich immer noch. Dabei ist die Geschichte zu „The Fall Of The Shires“ gar nicht so spektakulär, allerdings für Prog-Enthusiasten vielleicht doch? Denn bei OBLIVION PROTOCOL handelt es sich tatsächlich um so etwas wie eine international besetzte neue Prog-Supergroup, obwohl ich diesen Begriff nicht sonderlich mag.
Initiiert von RICHARD WEST, seines Zeichens im Stamm-Job Keyboarder und Songwriter beim britischen Prog-Flaggschiff THRESHOLD, holte er sich Gitarrist Ruud Jolie (WITHIN TEPTATION), Bassist Simon Andersson (DARKWATER) und Drummer Darby Todd (DEVIN TOWNSEND) für sein ambitioniertes Projekt ins Boot. THRESHOLD-Fans werden beim Titel des Debüts sofort Lunte riechen, denn R. West schrieb quasi eine „Fortsetzung“ vom 2017er Album „Legends Of The Shires“, weil seine anderen Band-Mates nicht mitspielen wollten unter dem Namen THRESHOLD. Trotzdem ließ es sich deren Gitarrist Karl Groom nicht nehmen, für seinen Kumpel auch für OBLIVION PROTOCOL ein paar Solos einzuspielen!
So gibt es auf „The Fall Of The Shires“ ein paar dezente Hinweise zum genannten Threshold-Album, sowohl textlich als auch musikalisch. Allerdings sind die Unterschiede letztendlich doch recht deutlich, allein weil die Stimmen von Richard West und Glynn Morgan so unterschiedlich klingen. Die Färbung von Richard ist sehr angenehm weich und klingt in keiner Lage aggressiv, sie erinnert mich oft an Phil Collins oder Dan Reed (Network). Die passt aber perfekt zu den meist harmonischen und melodisch wertvollen Stücken, die mit feinen Synthie-und Sound-Effekten begleitet oder eingeleitet werden. Wer auf Mike Oldfield, Pink Floyd oder Steven Wilson, aber auch moderneren Klängen wie denen von e-Molecule nicht abgeneigt ist, der dürfte mit dieser feinen Platte einen Glücksmoment erleben. Klang-Fetischisten kommen übrigens auch auf ihre Kosten, so wird es auch mehrere Vinyl-Varianten geben! Einziger Wermuts-Tropfen: Die Songs hätten durchaus eine längere Laufzeit vertragen, so wie das gesamte Album dann auch, was dann die Höchstwertung knapp verhindert.