U. D. O. – neue Scheibe, neues Label, alte Weggefährten

Band

U.D.O.

Interview vom

26.10.2023

Interviews mit der allürenfreien Metallegende Udo Dirkschneider sind immer informativ weil der Großmeister der Reibeisenstimme viel zu erzählen hat und weder provokant, noch zu angepasst ist. Er nimmt halt kein Blatt vor den Mund und das wirkt auf mich immer sehr erfrischend. Für einen weltbekannten Musiker jenseits der 70 Jahre ist das schon sehr selten. Hier werden keine Promofloskeln ins Mikro gesprochen.

Udo, ich habe im Internet vor kurzem gesehen und gelesen, dass du mit Tim Ripper Owens in Südamerika auf Tournee warst. Wie kam das denn?

Genau! Wir hatten da eine Band aus Sao Paulo. Das habe ich schon mehrfach gemacht. Das nennt sich „Metal Singers“, das ist ganz lustig macht viel Spaß und ist mal eine gute Abwechslung!

Apropos Abwechslung. Du bist ja auch ein zuverlässiger Musiker der regelmäßig was macht. Du hast ja die letzten Monate nicht auf der faulen Haut gelegen. Live warst du ja sehr aktiv und so bin ich sehr überrascht, das eine neue Scheibe namens „Touchdown“ kommt. Macht ihr das heutzutage on the road?

Nein, faul war ich nicht, das stimmt! Dieses Album ist auch dank Corona und wegen dem Krieg zwischen der Ukraine und Russland nicht so einfach zu machen gewesen. Den gleichen Spaß hatten wir schon mit „Game Over“. Dann hing der Andrej [Smirnov, Gitarrist ] als das losging in der Ukraine fest. Der wohnt da seit acht Jahren und wir mussten schauen wie wir den da raus bekommen. Der hat sich am Ende mit seiner Familie in ein Auto geklemmt und sind dann auf Schleichwegen zur polnischen Grenze wo mein Sohn und unser Produzent den dann mit Familie abgeholt haben. Das war auch ganz nervenaufreibend. Der kam quasi mit gar nichts. Einer Gitarre und einem Laptop. Dann haben wir ganz langsam angefangen. Stressig war das dann nicht. Eher diese Sache hier und das mit Corona vorher. Rein musikalisch war das Ganze nicht stressig.

Das ist ja gut. Jetzt hast du natürlich und da wird dich ja jeder drauf ansprechen den Peter Baltes wieder in der Band. Der hat den Bass eingespielt, war der im Songwriting wieder dabei?

Nein, Peter war beim Songwriting nicht dabei. Das war ja auch wieder so eine Geschichte! Ich habe mit Peter in der Vergangenheit am Bundeswehr Album gearbeitet und bei Dirkschneider & The Old Gang. Dann ist uns ja der damalige Bassist Tilen Hudrap in München kollabiert. Das war ganz schön heftig und wir wollten die Tournee nicht absagen. Wen rufen wir denn nun an? Wenn können wir denn an Land ziehen? Da haben wir kurzfristig Peter angerufen und gefragt ob er aushelfen kann bis der junge Mann wieder fit ist. Peter sagte ich rufe in einer Stunde zurück und hat dann zugesagt. Dann hat er sich die Setliste von 21 Songs draufgeschafft, was ja auch keine leichte Sache war. Dann sind wir weiter getourt und aus einem heiligen Gründe, warum auch immer sagte unser Bassist er würde aussteigen. Das lasse ich mal unkommentiert (lacht). Dann haben wir in Südamerika mit Peter beim Abendessen zusammen gesessen und haben überlegt was wir machen. Wir müssten uns ja einen neuen Bassisten suchen! Dann meldete sich Peter und meinte er würde gerne in die Band einsteigen, es würde so viel Spaß machen! Da habe ich ziemlich dumm aus der Wäsche geschaut. Wir haben dann lange geredet und mussten noch ein paar Sachen abchecken. Das haben wir dann noch geheim gehalten und dann hatten wir einen neuen Bassisten, obwohl der für mich ja alt war (lacht). Bisher haben wir auch schon einige Konzerte zusammen gespielt. Aber die Songs waren alle quasi schon fertig.

Wäre diese Geschichte in einem Film passiert, würde jeder sagen das glaubt doch kein Mensch!

Das ist richtig (lacht). Einige Leute haben als er noch Aushilfe war immer Kommentare gebracht der Sorte: schön wenn er bleiben würde. Aber so richtig gerechnet hat ja keiner damit. Das ist eine tolle Atmosphäre und es macht viel Spaß! Die Leute sagen auch generell: WOW! Ja, Du die fragen natürlich warum der bei mir ist und der wollte doch eigentlich nicht mehr. Aber das ist alles dummes Zeug und das soll der Peter selber in einem Interview von sich geben. Ich halte mich da bedeckt. Klar weiß ich wieso der bei Accept gegangen ist und warum. Das war für mich nicht überraschend, aber da möchte ich mich enthalten (lacht).

Verständlich! Ich habe auch ein Interview oder zwei mit Peter zu seinem Projekt Ashrain gelesen wo er zu der Thematik eindeutige Dinge sagt. Ich finde das toll, dass er dabei ist. Ihr habt ja nun den „Touchdown“ am Start. Da ist mir aufgefallen, dass U.D.O. immer kurze und knackige Titel am Start haben und mit „Timebomb“, „Thunderball“ und „Touchdown“ ist es das dritte Mal, dass ein Albumname mit T am Start ist. War das geplant, oder ist das Zufall?

Wir haben uns mit dem Titel des neuen Albums mal wieder wirklich schwer getan! Auch hier saßen wir mal wieder in Brasilien in einer Sportsbar am Flughafen auf der Südamerikatournee und da kam dauern der Begriff Touchdown“ im Fernsehen und dann dachten wir das ist nun der Titel! Der Football als Cover und der Titel das klingt schön aggressiv, wir bringen das Ganze über die Linie und das war es dann. So ist der Titel mal wieder durch einen Zufall entstanden. Es passt wie Arsch auf Eimer. Bisher haben wir noch nichts negatives gehört, es bringt doch nichts so endlose Namen zu haben. Kurz und bündig muss das sein, dann bleibt es dann auch hängen!

Auf jeden Fall! Was mir beim ersten Hören direkt aufgefallen ist: früher habt ihr auch gerne mal eine abgefahrenen Nummer wie „Trainride In Russia“ oder „Thunder In The Tower“. Aber das hier ist eine harte und geradlinige Scheibe!

Ja, schon! Aber wir machen uns auch vorher keinen Gedanken! Wir setzen uns jetzt nicht zusammen und überlegen in welche Richtung das Album gehen soll. Wir sammeln Ideen und tragen diese zusammen. Diesmal war auch keine Ballade dabei, aber man muss ja auch nicht zwingend immer eine an Bord haben. Eine Ballade muss schon stimmen, dieses Mal war keine am Start. Das war halt so. Ich würde das Ganze ein abwechslungsreiches straight-forward Album nennen. Da sind moderne Sachen drauf, Dinge die man kennt. Viele Kleinigkeiten die man nicht gemacht hat vorher. Aber man soll ja auch nicht stehen bleiben. Bei der Listening Session waren auch die Reaktionen äußerst positiv, also haben wir da was richtig gemacht.

Das denke ich auch. Aber sind wir mal ehrlich: Ihr hättet euch auch hinsetzen können und das Planen eine old school Platte zu machen. Nach dem Motto: Wir sind wieder zurück mit Peter und klingen wie 1983.

Ja, das stimmt, lacht Udo aus vollem Halse.

Was ich halt geil finde ist die Mischung aus moderner Stampfnummer wie „Punchline“ und einer aus dem Bauch Granate wie „The Betrayer“! Auch Mozart bei „Fight For Your Right“ erinnert ja an recht alte Accept, oder?

Ja, die Idee hatte Andrej aber schon ewig und konnte bei dieser Nummer den türkischen Marsch unterbringen. Das ist aber nicht so, dass wir das jetzt geplant haben, oder die Violine bei „Touchdown“. Das war auch ein komischer Zufall. Gitarrist Fabian hat die Nummer geschrieben im Nightliner und da war irgendetwas laut und da wollte in der Garderobe was machen. Aber er hat dann statt einem Gitarrensolo mit dem Keyboard eine Violine eingebaut. Als er uns das vorspielte wollten wir das einfach lassen weil uns das so gut gefallen hat. Das ist doch wunderbar so eine Violine in so einer Nummer erwartet doch keiner.

Beim normalen kurzen hineinhören war es für mich ein typisches gutes UDO Album, aber dann kommen die Feinheiten immer mehr raus und die Überraschungen, es wächst also noch. Aber nicht so konstruiert!

Ich denke es ist eine gute Symbiose aus alt und neu. Das Gute ist: unsere Gitarristen sind jung, mein Sohn mit dem ich mittlerweile die Texte schreibe und auch gesangsmäßig zusammenarbeite ist auch jung und der sagt immer: Papa mach mal! Dann probiere ich das mal. Ich bin da auch open-minded. Das ist auch wichtig, das sind wir alle. Selbst Peter der nicht mit komponiert hat findet das Alles interessant. Er sagt es kommen da ganz viele Sachen zusammen. Es gibt glaube ich kein U.D.O. Album das gleich klingt. Sie sind alle immer anders gewesen. Ich weiß noch nicht wie das nächste Album wird. Aber ich denke, dass Peter da auch kompositorisch mitmischen wird, das wird sicherlich sehr interessant werden.

Wie du sagtest: Texte, ich habe ja mal etwas hingehört. Da sind auch viele abwechslungsreiche Themen wie Sport, Krieg und anderes dabei. Aber was ist denn ein „Double Dealers Club?“

Das handelt davon, das die Reichen immer reicher werden und die anderen immer ärmer. Die ziehen die Menschen über den Tisch wie die Immobilienhaie. Legen sie ihr Geld an heißt es und dann sahnen nur diese ab. Die dealen halt doppelt und trinken Champagner auf Eis heißt es ja in einem Lied, alles auf unsere Kosten halt

Denkst du, dass ist textlich eine aktuelle Platte geworden?

Ja, ich glaube schon! „Isolation Man“ handelt von Corona als man zu Hause gesessen hat und keine Kontakte hatte. „Fight For Your Right“ geht hier um diesen Krieg in der Ukraine.  „The Flood“ ist wieder sehr persönlich, da geht es um die Flutkatastrophe in NRW wo auch das Haus meines Sohnes betroffen war. Bei „Betrayer“ geht es um Leute die von irgendwelchen Spielen süchtig werden und dann kriminell werden. „Touchdown“ ist über den Sportfootball. „Heroes Of Freedom“ geht um den 2. Weltkrieg, hoffentlich kommt so etwas nie wieder! Wir haben hier auch so eine „wunderschöne“ Partei in Deutschland bei der man auch sehr nervös wird. Es ist schon alles aktuell gehalten. Bei „Forever Free“ geht es darum sein Leben zu leben wie man will. Ob man gay, lesbisch oder sonst was ist. Man sollte sich nicht von anderen bequatschen lassen.

Wo du den Krieg ansprichst, ihr seid ja schon eine größere Nummer in Russland, ich denke da immer an die ARD Doku mit dem Zug und jetzt ist das für euch alles weggebrochen!

Das ist ganz schön scheiße! Das sage ich ganz bewusst. Die Leute können nichts dafür. Das war auf einen Schlag alles weg.  Ich weiß auch nicht, ob ich es noch mal erlebe auf eine Russlandtour zu kommen. Selbst wenn das in ein paar Monaten warum auch immer zu Ende ist – man kann ja nicht direkt darüberfahren und eine Tour machen. Das ist moralisch auch gar nicht möglich. Ich habe zeitweise ja in St. Petersburg gelebt mit meiner Freundin. Die sehe ich jetzt quasi nur noch, wenn wir Urlaub machen. Ich könnte sicherlich dahinfahren, ich käme da rein. Das wäre klein Problem. Aber wenn ich dann da auf einmal im Internet auftauche heißt es der Udo ist da in Russland, der findet das bestimmt ganz toll da. Das geht nicht! Ich habe mich da mit ganz vielen Musikern drüber unterhalten und die haben alle gesagt sie könnten touren, sie machen es aber nicht. Uns hat man auch eine Tournee angeboten. Aber wir sagten nur: danke fürs Gespräch (lacht). Auch die Ukraine ist für uns fürs erste gestorben, aber da könnte ich mir es eher vorstellen zu spielen als in Russland! Keiner weiß wie lange der Zirkus dort noch geht und das Ganze ist echt furchtbar. Wir haben durch Corona zweimal die Russland Tournee verschoben, dann standen neue Termine und dann kam der Krieg dazwischen.

Bekommst du denn noch viel Feedback aus dem Land?

Ja, die Fans sind immer noch da und aktiv. Aber was sollen sie machen? Das Internet wird da sicherlich, überwacht wenn die uns was Schreiben. Die können sicherlich das neue Album hören, aber live kannst du vergessen.

Viele fragen sich natürlich ob ihr nicht bei U.D.O. mehr Accept drin habt als Accept, der ehemalige Accept Drummer Stefan Kaufmann und langjähriger U.D.O. Gitarrist hat ja deinen Gesang produziert auf dem Album!

Wenn man das so nimmt klar! Der Stefan produziert nicht mehr und schreibt keine Lieder mehr, aber so ist da noch ein Accept Mann. Das ist ja ganz schön viel Accept zusammen.

Wenn jetzt noch Hermann Frank oder Jörg Fischer vorbei kämen…

Aber wir wollen das jetzt nicht übertreiben! Einer findet das im Moment gar nicht lustig glaube ich, was da so passiert. Aber ich bin da auch nicht schadenfroh.

Das ist eine schöne Einstellung!

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"Ein Gitarrenriff sollte nie länger sein, als es dauert, eine Bierflasche zu köpfen.“ Lemmy Kilmister (Motörhead)