„Dieses Album ist so gut, daß ich mir wünschen würde, jeder Mensch würde es mindestens einmal in seinem Leben gehört haben!“ Große Worte, mit denen Andreas Reissnauer 1998 im Metal Hammer ein Album bedachte, auf dass meine Freunde und ich damals ohnehin schon warteten wie der Messias auf den Ostersonntag. Nachdem ein Jahr zuvor mit „Ocean Machine“ und STRAPPING YOUNG LAD’s „City“ gleich zwei kaum mehr erreichte Meilensteine unsere Synapsen vor Verzückung tanzen ließen, sollte es danach also „Infinity“ sein; das Album, dass das Beste aus beiden Welten, des atmosphärisch-epischen Solodebüts sowie des schier unaufhaltbaren Adrenalinrauschs SYL’s vereinen wollte. Wenn ich in solchen Superlativen schwelge stehen die Chancen gut, dass es um DEVIN TOWNSEND geht. Eben jener stand damals also vor der eigentlich unlösbaren Aufgabe diesen in Fankreisen vergötterten Alben einen würdigen Nachfolger hinterher zu schieben; was soll ich sagen… hat nicht geklappt. Liest sich jetzt hart, ist aber auch nur die halbe Wahrheit (und ich hab eure Aufmerksamkeit, harharhar).
Misst man die Scheibe nicht an den Meilensteinen, die seine Vorgänger nun mal waren, kriegt man immer noch ein erstaunliches Werk, eines überaus ambitionierten Künstlers; oder, um das Problem direkt zu benennen, eines teils überambitionierten Künstlers. Wo das Eröffnungstrio „Truth“, „Christeen“ und „Bad Devil“ nämlich vollends zu überzeugen weiß und auch das anschließende „War“ durch seinen stringent treibenden Rhythmus und interessante Ideen punktet, verliert sich Devin nach der ersten Minute von „Soul Driven Cadillac“ im Wahnsinn. Möglich, dass es genug Die-Hard Fans da draußen gibt, die 300 Spuren (kein Witz) in einem Song, der immer mehr einer sinnlosen Bombastschleife ähnelt feiern, doch für mich war das der Beginn eines Stilmittels, welches Townsend später immer wieder mal zurückbrachte und das sich mir nie erschließen wollte (der Schluss scheint mir übrigens direkt aus einem Albtraum gestohlen).
Ähnlich repetitiv, wenn nicht noch anstrengender, geht er auch in „Unity“ vor. Wie man das gebetsmühlenartige Wiederholen von Riffs spannend gestalten kann, zeigt er selbst doch in „Life Is All Dynamics“. Geht doch. „Noisy Pink Bubbles“ als Rausschmeißer flacht meines Erachtens dann leider wieder etwas ab.
Macht in Summe 1/3 der Songs, die mich nicht überzeugen konnten. Kommen wir damit zum Rest, und DSCHIESES, haut der Meister hier Dinger raus. „Ants“ würde ich als geglücktes Experiment bezeichnen, aber mich amüsieren auch Songs, die 90% der Menschheit als nervig und / oder anstrengend bezeichnen, und das Teil hier wird seinem Namen einfach gerecht; wie der Blick mit einem Mikroskop, oder vielmehr das Horchen mit einem Stetoskop in einen Ameisenhaufen.
„Wild Colonial Boy“ schwankt zwischen epischem Pop und betörender Jahrmarktsorgel, „Truth“ begrüßt den Hörer/ die Hörerin mit (sinnvoll arrangiertem!) gestapeltem Bombast im Quadrat, „Christeen“ ist brachial-bretternder High Energy Pop und „Bad Devil“…, ja das Herzchen wurde vorab auf einer handvoll Samplern bereits vorgestellt und schafft es heute noch immer wieder in die Setlists des Meisters. Völlig zurecht, lässt mich das musical-artige Oberwerk doch auch nach 25 Jahren das Tanzbein schwingen, wie am ersten Tag.
Was mich zum Grund dieser Rezension bringt (das ging fix, nüsch wahr), denn „Infinity“ wird heuer ein Vierteljahrhundert alt, und Hevy Devy „schenkt“ seinen Fans aus diesem Anlass die ganze Geschichte neu gemastert, mit aktualisiertem Artwork PLUS die „Christeen“-EP. Jene hat mit „OM“ und „Sit In The Mountain“ definitiv zwei Hammersongs an Bord, die man ohne weiteres auf ein reguläres Album hätte packen können. Der Rest kann, muss aber nicht.
Warum die Platte neu abgemischt werden musste, erschließt sich mir nicht ganz. Zwar rummst und ballert es manches mal etwas mehr, doch streng genommen gab es am alten Mix nichts auszusetzen. Die Audiophilen-Fraktion mag das anders sehen… Neben einem Doppel-CD Digipack erscheint das Schätzchen auch auf Doppel-Vinyl.