FEAR FACTORY, BUTCHER BABIES, IGNEA, GHOSTS OF ATLANTIS / MARKTHALLE HAMBURG

Billing

Fear Factory, Butcher Babies, Ignea, Ghosts Of Atlantis

Ort

Markthalle, Hamburg

Datum

07.12.2023

Bilder

Marc Schallmaier

 

Ich bin dann doch etwas aufgeregt. Als großer FEAR FACTORY Fan werde ich nun die Premiere mit dem neuen Sänger Milo Silvestro feiern. Zwar gab es schon einige Videos auf den einschlägigen Kanälen zu begutachten, aber man macht sich ja gerne selber ein Bild von dem „Neuen“. Wobei ich nach wie vor der Meinung bin, dass eine weibliche Frontfrau eine sehr reizvolle Konstellation gewesen wäre. Aber nun, Dino hat sich anders entschieden und wir alle müssen mit dieser Tatsache leben.
Wo wir beim Thema Frontfrau sind: dass Carla Harvey von den BUTCHER BABIES nicht am Start ist war schon vor Beginn dieser monströsen Tour (43 Konzerte in 20 verschiedenen Ländern!) klar. Heute fällt aber auch Helle Bohdanova von IGNEA krankheitsbedingt aus. Ein herber Schlag für die Band aus der Ukraine.

Die Engländer von GHOSTS OF ATLANTIS eröffnen den heutigen Konzertabend, und das sehr früh. Vier Bands in einer Nacht sind zwar cool, unter der Woche aber eine echte Herausforderung für jeden Arbeitnehmer mit Full Time Job. Und so ist die Markthalle noch sehr dünn besetzt, als das Quintett aus Ipswich den bunten Reigen einläutet. Fünf Songs stehen lediglich auf dem Programm, und so sputen sich die Musiker um zügig ihren Set zu spielen. Die Mischung aus Symphonic Metal und Metalcore ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, und nicht jeder der wenigen Zuschauer kann etwas mit dem Sound anfangen. Aber gut, die Band ist erst seit drei Jahren am Start, und vielleicht bin ich auch noch nicht reif für diese Musik. Handwerklich kann man GHOSTS OF ATLANTIS keinen Vorwurf machen. Sänger Phil Primmer sowie Gitarrist und 2. Mann am Mikrofon Colin Parks geben zumindest alles, während die restlichen Musiker den kleinen Raum auf der Bühne nicht wirklich nutzen.

Der Changeover wird zügig vollzogen, denn auch die Umbaupausen sind heute minutiös durchgetaktet. Wie auch GHOSTS OF ATLANTIS dürfen IGNEA nur die halbe Bühne nutzen, da bereits das FEAR FACTORY Schlagzeug aufgebaut auf der Bühne steht. Die Markthalle füllt sich so langsam als sie vier Ukrainer die Stage betreten. Wie bereits oben erwähnt ist Frontfrau Helle nicht am Start, dies wird auch von Gitarrist Dmitry an das Publikum übermittelt. Die Enttäuschung ist zwar groß, auf der anderen Seite muss man den Musikern irgendwo auch Respekt zollen, dass sie trotzdem auftreten und eben einen instrumentellen Set spielen.
Diese Sache macht es irre schwer, die Show auch nun ansatzweise fair zu bewerten. Ich, der mit der Band überhaupt nicht vertraut ist, finde keinen Zugang zu dem progressiven Gegniedel mit leichtem Folk Einschlag. Ob das nun besser oder anders mit Gesang ist? Keine Ahnung. Jedenfalls ebbt das Interesse nicht nur bei mir sehr schnell ab. Acht Songs geben IGNEA zum Besten, aber mehr kann ich dazu auch nicht sagen, außer dass die Musiker sehr bemüht sind. Aufgrund der komplexen Songstrukturen ist da kein Gehopse drin, sondern die Virtuosen sind mit ihren Instrumenten genug beschäftigt.

Die Umbaupause gestaltet sich etwas kürzer als vermutet, denn es muss „nur“ das Equipment von der Bühne geschafft werden, der größte Teil des Gedöns von BUTCHER BABIES steht bereits. So verpasse ich um ein Haar meinen Einsatz im Fotograben, aber ab und zu muss man ja auch ein Getränk zu sich nehmen.
Das Fehlen von Carla Harvey machte sich für mich nicht wirklich bemerkbar. Denn die andere Frontdame sprang dafür wie ein Flummi durch die Gegend. Es gibt keine Sekunde, in der Heidi Shepherd still steht. Und auch ihren beiden Mitstreiter an Gitarre und Bass, Henry Flurry und Ricky Bonazza, stehen dem in Nichts nach und beackern die Bretter der Markthalle. Nun gibt das der Sound ja auch eher her. Die knackige Mischung aus Nu, Thrash und Groove Metal lässt es einem kaum zu, still stehen zu bleiben. Dazu noch die mitreißende Performance auf der Bühne. Die mittlerweile gut gefüllte Markthalle geht kräftig mit, und wer nicht extra wegen BUTCHER BABIES hier ist, wird mit einem zufriedenen Nicken bestätigen, dass das hier ein starkes Konzert ist.
Im Gegensatz zu den beiden vorherigen Bands brennt hier wirklich der Baum. Satte zehn Songs git es zu hören, gleich 7 von dem Album „…’Til The World’s Blind“, dazu noch „It’s Killin‘ Time. Baby“, „Monsters Ball“ und zum Abschluss „Magnolia Blvd.“. Man kann denken über die Band was man will, live liefern die eigentlich immer richtig gut ab!

Nun steht der große Augenblick bevor, und es kribbelt schon seit einigen Minuten in der Magengegend. Wie wird sich Milo schlagen? Hat Dino gute Laune? Wieso ist mein Bier schon wieder alle? Wichtige Fragen, keine Antworten.
Das Theme von „Terminator 2“ erklingt, ein Jubelsturm bricht los, die Band kommt auf die Bühne und steigt mit „Shock“ erwartungsgemäß ein. Gehen wir zuerst auf die zweite Frage ein. Dino sieht ein wenig verbraucht aus, vielleicht liegt es an den Tour Strapazen, vielleicht ist auch er körperlich etwas angeschlagen. Nichtsdestotrotz zeigt er sich in Feierlaune und spielfreudig.
Und Milo? Zunächst muss man festhalten, dass er etwas anders singt als Burton C. Bell. Sicherlich orientiert er sich an den klaren und an den geschrieen/gebrüllten Passagen, und doch schafft er es Klassikern wie „Edgecrusher“ und „Recharger“ seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Das ist tatsächlich gewöhnungsbedürftig, nach drei bis vier Songs aber kann ich bestätigen, dass der Mann ein würdiger Nachfolger ist. Bei „Dielectric“ verstaue ich noch flugs meine Fotoausrüstung, bevor ich mich zu „Disruptor“ kopfüber in den Moshpit werfe.
FEAR FACTORY haben Bock, auch wenn das heute ein Konzert wie jedes andere ist, und im Grunde nichts außergewöhnliches passiert. Milo ist ein ziemlicher Aktivposten und sammelt fleißig Kilometergeld. Dino Cazares und Teilzeit Bassist Tony Campos (FEAR FACTORY sind bereits auf der Suche nach einem Ersatz wenn Campos mit STATIC X auf Tour ist) wechseln gerne mal die Seiten und headbangen sich ein wenig die Müdigkeit aus den Knochen, während Pete Webber sein Schlagzeug mit beeindruckender Vehemenz verprügelt.
Es folgen „Powershifter“, „Freedom Or Fire“ (seit der Veröffentlichung von „Obsolete“ 1998  überhaupt das erste Mal live auf einer Tour!) und zum Durchatmen „Descend“. Der Moshpit fordert jetzt schon seinen Tribut, auch wenn meine Mitstreiter augenscheinlich nicht viel jünger sind wie ich.
Egal, es geht weiter. Weder Milo noch Dino machen große Ansagen und lassen lieber die Musik für sich sprechen. Und os bleibt es bei den üblichen Floskeln und Danksagungen.
„Linchpin“ und „What Will Become?“ sind für mich keine Wunschkandidaten, werden aber vom Publikum dankbar angenommen. Nach dem bereits oben erwähnten „Freedom Or Fire“ kommt eine weitere Überraschung, denn FEAR FACTORY spielen mit „Slave Labor“ einen Song vom Album „Archetype“, also genau der Scheibe, auf der Dino NICHT mitgewirkt hat. Das ist wirklich etwas Besonderes! Zwar folgt der Titeltrack „Archetype“ direkt hinterher, aber diesen Track gab es vor 10 Jahren schon auf einer größeren Tour.
Bevor jetzt so langsam das große Finale eingeläutet wird, gibt es den unvermeidlichen Klassiker „Martyr“, zu dem Heidi Shepherd von BUTCHER BABIES auf die Bühne stürmt und zusammen mit Milo das Lied singt.
„Demanufacture“, „Zero Signal“ und „Replica“, alle vom Meilenstein Album „Demanufacture“, sind noch einmal ganz großes Tennis, bevor mit „Resurrection“ das Konzert ein würdiges Ende findet.
Eine Setlist zum niederknien, eine spielfreudige Band und ein begeistertes Publikum: so sollte es immer sein.

Milo muss man ein Kompliment machen. Es sind wahnsinnig große Fußspuren in die er getreten ist, er kann diese aber sehr gut ausfüllen. Ja, Milo singt etwas anders und man muss sich ein wenig daran gewöhnen, aber dann ist das ziemlich stark was er da abliefert. Und so richtige dicke Wackler, gerade in den Clean Parts die oft bei Burton vorgekommen sind, konnte ich nicht heraus hören. Die Messlatte ist angesetzt, mit einem neuen Album wird sich zeigen in wie weit er auch bei neuen Songs performen wird.

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