Logisch würden sich Wortspiele über die niederländische Prog-Band DILEMMA anbieten, aber ich möchte mich lieber nicht daran beteiligen, denn die Gruppe macht viel zu gute Musik und sollte von daher ernst genommen werden. So viel also schonmal vorab, auch weil es die Truppe in den letzten Jahren wahrlich nicht einfach hatte. Von den Gründungsmitgliedern Anfang der Neunziger ist heute nur noch Keyboarder Robin Z (Zuiderfeld) übrig geblieben und nach Auflösung 2002 und dem acht Jahre später erfolgten Neustart mit einigen Umbesetzungen ist von einem stabilen Line-Up leider immer noch nicht zu sprechen. Im Vergleich zum vorzüglichen Vorgänger „Random Acts Of Liberation“ (2018) wurde nämlich der Sängerposten mit Jermain van der Bogt (Wudstik) neu besetzt. Auch Basser Kristoffer Gildenlöw stieß dazu und löste Erik van der Vlis ab, jedoch verblieben mit Gitarrist Paul Crezee und Drummer Collin Leijenaar wichtige und erfahrene Musiker in den Reihen von DILEMMA. Aber „The Purpose Paradox“ ist auch erst das insgesamt dritte Album und aufgrund der neuen Mitglieder sowie der langen Historie ist es schwer, Vergleiche zu früheren Zeiten anzuführen.
Die neue Platte startet mit dem achtminütigen „Sanctuary“ fulminant. Moderne, wuchtige Synthie-Sounds führen den Hörer zu den E-Gitarren und einem recht harten Kontext. Aber die Gesangsmelodien sind eingängig und der Neue am Mikro hat eine ganz vorzügliche Stimme. So kommt es, dass sich die Musiker mit allzu frickeligen Eskapaden zurückhalten, was sich zudem positiv auf das ganze Album auswirkt. Einen Tick ruhiger dann „I Am Neon“, auch hier treiben sich die Synthies und die Gitarren gegenseitig an, die Mischung ist für meine Ohren perfekt, beide Instrumente bekommen ihre jeweiligen Solo-Parts und ergänzen sich harmonisch gleichermaßen. Hier ist also keine Band am Start, die den etwas melancholischen Retro-Prog bevorzugt, sondern auf eine wuchtige, moderne Umsetzung der Kompositionen setzt, ohne auf ein hohes Maß von Eingängigkeit zu verzichten! Beim sechsminütigen „Allies“ ist Keyboarder Derek Sherinian als Gast mit dabei, den alle Proggies nicht nur von Dream Theater kennen. Als weiterer Gast ist der amerikanische Fusion-Gitarrist Mark Lettieri beim abschließenden Viiertelstünder „Outer Light“ zu hören. Meiner Meinung nach hätte es die Gastbeiträge jedoch nicht gebraucht. Aber egal, bei der wunderschönen Ballade „Thunder“ (siehe Video) wird die ganze Faszination der Musik von DILEMMA besonders deutlich. Das ist insgesamt mehr als ordentlich gemacht von dieser Band, die hoffentlich mal stabil weitermacht.