Der heutige Abend steht ganz im Zeichen einer Band, und nein, es ist nicht der Headliner AGNOSTIC FRONT. „AF“ mit Roger Miret und Vinnie Stigma habe ich in den letzten Jahren immer mal wieder gesehen. Sie liefern gut ab, keine Frage, aber wenn heute nicht MURPHY’S LAW im Vorprogramm spielen würden wäre ich wohl nicht hier.
Als ich im Grünspan ankomme bekommt meine gute Laune aber einen Dämpfer, denn bei der Übergabe des Fotopass sagt die nette Damen am Tresen ganz beiläufig noch „ach so, heute gibt es keinen Graben!“. Und gute Nacht…..
Wer liebt es nicht, die Konzerte ohne Fotograben, wo man den Musikern sehr nahe kommen kann oder direkt zum Stagediving ansetzt? Ich normalerweise auch, wenn es aber ums Fotografieren geht bin ich mittlerweile sehr sensibel geworden.
Nun ist der Andrang bei der ersten Band des heutigen Abends recht überschaubar. VIOLENT WAY aus den USA spielen klassischen Oi Punk, recht simpel, aber mit einer Menge Wut im Bauch. Das Trio ist noch relativ frisch unterwegs und hat erst im April 2024 ihr Debüt abgeliefert. Es ist sehr wahrscheinlich also dass ich nicht der Einzige bin der mit dem Songmaterial nicht vertraut ist.
Das sich die Begeisterung in den nächsten 30 Minuten weiterhin in Grenzen hält liegt aber auch daran, dass die Stücke sehr gleich klingen und die drei Musiker sehr am Boden kleben. Erst als kurz vor Ende Gitarrist und Sänger Nick Terlecky die Leute auffordert doch mal ein paar Meter nach vorne zu kommen lassen sich mehr Leute vor der Bühne blicken. Ändert auch nichts mehr daran, dass VIOLENT WAY hier heute keinen Originalitätspreis bekommen.
VIOLENT WAY
MURPHY’S LAW sind dann die Nächsten, und nicht wenige sind wegen den vier New Yorkern hier. Vor der Bühne wird es schon voller und das Fotografieren aus der Menge wird langsam schwierig. Zwar ist das Quartett schon seit einigen Jahren immer wieder live unterwegs, einen neuen Tonträger gibt es nun aber schon seit über 20 Jahren nicht.
Frontmann Jimmy Drescher (der seinen unfassbar geschmacklosen Künstlernachnamen „Gestapo“ schon vor langer Zeit ad acta gelegt hat!) kommt gut gelaunt mit einer Bierflasche auf die Bühne und strahlt wie ein Honigkuchenpferd. Und das ist ansteckend! Von Minuten eins an verbreiten MURPHY’S LAW gute Stimmung und das Publikum geht direkt mit. Höhepunkt eins ist ein noch recht junger Fan der spontan zum Mitsingen auf die Bühne geholt wird. Der kann sein Glück kaum fassen und nach einigem Gestammel sagt er dann das er Geburtstag hat. Was folgt ist klar: das Grünspan stimmt geschlossen „Happy Birthday“ an. Höhepunkt Nummer zwei ist ein kleines Kämpfchen, dass zwei Jungs auf den Schultern ihre Kumpels durchführen. Natürlich kommentiert von Jimmy Drescher.
Nebenbei zockt die Band einen bunten Mix aus den Alben „The Party’s Over“, „Back With A Bong“ und „Murphy’s Law“. Die Angestaubtheit der Stücke nimmt man nicht wirklich war. MURPHY’S LAW dreschen ihre Hardcore Nummern mit Wucht und Freude durch die Boxen, und das Publikum quittiert das Ganze mit viel Applaus und den ersten Moshpits.
Eine enorm unterhaltsame Dreiviertelstunde geht leider viel zu schnell vorbei.
MURPHY'S LAW
Nach dreißig Minuten Umbaupause, obwohl irgendwie nur ein paar Boxen und Instrumente getauscht wurden, kommen dann die Veteranen von AGNOSTIC FRONT auf die Bühne. Vinnie Stigma, der in diesem Jahr seinen 70. Geburtstag feiern wird, kommt als erstes, gefolgt von Roger Miret und seinen Kollegen. Die Begeisterung ist groß, mit den ersten Klängen von „The Eliminator“ kommt auch sofort Bewegung in das gut gefüllte Grünspan.
Das Fotografieren wird jetzt leider etwas zur Qual, denn der pogende Mob nimmt nunmal keine Rücksicht darauf ob da mitten vor der Bühne jemand mit einer Kamera steht. So konzentriere ich mit während der ersten Stücke auf die Fotos während AGNOSTIC FRONT ihr Ding durchziehen. Vinnie Stigma hat einen Heidenspaß und lächelt immer mal wieder ins Publikum, das habe ich tatsächlich noch nicht allzu oft erlebt. Der Rest der Truppe arbeitet eher an dem New Yorker Hardcore Image.
Es folgt ein Querschnitt durch sämtliche Schaffensphasen von AGNOSTIC FRONT bis das IRON CROSS Cover „Crucified“ ertönt. Zack, kommen auch VIOLENT WAY auf die Bühne um diesen Meilenstein der Hardcore Geschichte zu intonieren. Es sind ungefähr 50% des Sets gespielt, aber schon jetzt lässt sich festhalten das die Truppe das Konzert sehr routiniert runter zockt. Die Setlist hat sich seit Jahren nicht wirklich verändert, maximal ein bis zwei Songs werden ausgetauscht oder die Reihenfolge wird verändert, aber das war es. Das kann man natürlich auch von zwei Seiten sehen. Auf der einen bekomme ich als Fan genau das was ich will (ein Best Of Konzert). Auf der anderen Seite könnte ich als Fan aber auch erwarten, dass mal ganz andere Stücke gespielt werden.
Denn auch das „Power“ und „Pauly The Dog“ von Vinnie Stigma gesungen werden ist ein alter Hut. Und so trudelt das AGNOSTIC FRONT Konzert am heutigen Abend mit „Blitzkrieg Bop“ und „Gotta Go“ dem Ende entgegen. Bei dem letztgenannten Klassiker kommen dann noch MURPHY’S LAW auf die Bühne.
AGNOSTIC FRONT liefern heute ab. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Der Sound ist gut (wie bei den beiden anderen Bands übrigens auch), das Publikum geht gut mit und ist bestens gelaunt, und immer wieder sieht man Musiker mit grinsenden Gesichtern. Viel mehr gibt es tatsächlich nicht zu berichten. MURPHY’S LAW holen heute die Kohlen aus dem Feuer, während der Headliner routiniert sein Ding macht.