Manchmal denke ich darüber nach, warum es in Deutschland eigentlich nicht mehr Frauen gibt, die erfolgreich Blues bzw. Blues Rock spielen? An Männern herrscht kein Mangel, da brauche ich gar nicht erst anzufangen, bekannte Blues Bands aus Deutschland aufzuzählen. Überhaupt fallen mir in ganz Europa nur wenige gute female fronted Blues Rock-Gruppen ein, klar sind da die BLUES PILLS, SIENA ROOT, ANA POPOVIC oder PRISTINE zu nennen…aber aus Deutschland? In den USA sieht das schon ganz anders aus, eine ganze Reihe Bands mit Front-Frauen und auch Solo-Künstlerinnen sind da am Start, die international sehr erfolgreich unterwegs sind. Als Beispiele seien hier exemplarisch die unvermeidliche BETH HART, DANA FUCHS, JOANNE SHAW TAYLOR oder SAMANTHA FISH genannt, wobei diese Liste lange nicht abschließend ist.
Ebenfalls aus den USA kommt eine Künstlerin, die in ihrer Heimat seit ein paar Jahren auch größere Hallen füllt, bei uns allerdings noch nicht ganz so bekannt ist. Die Rede ist von der Gitarristin und Sängerin ALLY VENABLE, die seit 2016 schon fünf Alben veröffentlicht hat. Die mit 26 Jahren noch recht junge Texanerin galt schon früh als Talent und konnte zusammen mit ihrer Band 2014 und 2015 in den USA den rennomierten Nachwuchs-Preis ETX Music Award einheimsen. Da nehme ich mir doch gerne ihr sechstes Studioalbum mit dem selbstbewusst frechen Titel „Money & Power“ zur Brust.
Mit viel Power startet die Reise mit „Brown Liquor“, wobei Ally hier gleich Unterstützung ihres Kollegen Christione „Kingfish“ Ingram an der Gitarre erhält. Gleich mit einem Gast-Gitarristen anzufangen, halte ich persönlich für eine Sängerin, die selbst eine versierte Gitarristin ist zwar für etwas komisch, aber vielleicht ist sie auch nur höflich!? Einerlei, mit viel Soul durch Bläser und Piano geht es mit „Maybe Some Day“ etwas bedächtiger zu Werke, während das Titelstück (siehe Video) ne schön rotzige Attitüde aufweist. Lustig im Video, wie sich die Dame Whiskey trinkend und Zigarre rauchend über gängige Konventionen lustig macht. Mit feiner Orgel im Hintergrund darf es dann mit „Do You Cry“ auch mal eine tiefsinnige Ballade sein, die durch soulige Chöre und ein flirrendes Solo länger nachhallt. ALLY VENABLE hat eine sehr angenehme Stimme, die gar nicht so dreckig wie ihr Gitarrenspiel klingt und genau deshalb den richtigen Gegenpol in den Songs bildet. Ich könnte mir auch sehr gut vorstellen, dass sie im Country-Genre eine genauso gute Figur abgeben würde. Sehr unterhaltsam geht es weiter mit rockigem Blues im Midtempo („Stopper Back Papa“) oder einer weiteren Ballade („Keep Me In Mind“) und ich kann deutlich hören, dass hier sehr routiniert gearbeitet wird. Was mir allerdings fehlt, ist ein echter Hit oder Übersong, der aus dem Album ein besonderes werden lässt. Das kann ich mir alles sehr gut anhören und die Gitarren-Arbeit der ALLY VENABLE ist ebenfalls aller Ehren wert. Bei „Unbreakable“ handelt es sich um ein Duett mit der Sängerin Shemekia Copeland, die mal eine echte Hammer-Stimme hat und dadurch das Lied zusätzlich aufwertet.