Alle Fans der Hagener Kult-Band Extrabreit kennen Stefan Kleinkrieg als deren Gitarristen und genialen Partner an der Seite von Sänger Kai Havaii. Aber ab und zu, als etwa für Extrabreit Pause angesagt war, machte er eigene Musik in verschiedenen Projekten, die stilistisch natürlich nicht ganz viel mit seiner Stamm-Band gemein hatten und, vielleicht auch deshalb nicht an die großen Erfolge von Extrabreit anknüpfen konnte. Was ich ehrlich gesagt richtig schade finde, denn Platten wie „Im Moment Für Immer“ oder das düstere „Säure“ sind es absolut wert, von einem anspruchsvollen, Deutsch Rock-affinen Publikum gehört zu werden! Außerdem schrieb Stefan Kleinkrieg 1983 zusammen mit Udo Lindenberg zusammen den Song „Kralle“, der schließlich auf Lindenbergs Knalleralbum „Odyssee“ landete! Doch dazu später mehr!
Auf seinem neuen Baby „Die Sonne Scheint Für Alle“ spannt Kleinkrieg einen weiten Bogen von Geschichten aus der Vergangenheit bis in die Gegenwart. Dabei sind die meisten Texte sehr persönlich, manchmal gibt es sogar Anspielungen auf Extrabreit, wie beim Opener „Billiges Benzin“ oder „Amphetamin“. „Billiges Benzin“ hat übrigens nichts mit den aktuellen horrenden Spritpreisen zu tun, wie man zunächst annehmen könnte. Doch musikalisch geht es wie gesagt in eine andere Richtung. Sehr lässig groovend oder meist noch langsamer bzw. balladesker mit Folk-und Country-Anleihen, auch darf es mal ein beschwingtes Shuffle mit Akkordeon-Unterstützung sein („Positiv Denken“). Dazu singt der Künstler mit tiefer, sonorer und leicht rauer Stimme, die sich anhört, als hätte sie im Leben schon alles gesehen (und wahrscheinlich hat sie das auch). Ab und an klingt es, als ob Stefan etwas lispelt, was mich jedoch nicht sonderlich stört. Manchmal erinnert mich die Mucke jedenfalls an die letzten beiden Alben von Gunter Gabriel (R.I.P.). So verkehrt scheint dieser Vergleich auch gar nicht zu sein, höre ich den Liedern so zu, denn zum Zuhören scheinen sie perfekt gemacht! Tatsächlich kann ich mich mit fast allen Stücken identifizieren, was aber auch an meinem Lebensalter liegen könnte. Zum Beispiel beim mitreißenden „Autoscooter“, wo es heißt …“Elke war immer an Start…“; meiner erste Liebe mit 11 oder so hieß zufällig genauso! Ja und da ist auch noch das oben angesprochene Lied „Kralle“. Das gibt es nämlich auch auf dieser Scheibe in der Kleinkrieg-Version zu hören, wobei Udo himself den berühmten Schluss-Satz „Kein Nümmerchen Unter Diesem Anschluss“ auf dem Anrufbeantworter spricht und dreckig lacht.
So gestaltet sich diese wunderbare, kluge Platte zwar in einem melancholischen Grundton, ohne dabei allerdings traurig zu sein, ganz im Gegenteil. Denn das kurze augenzwinkernde vorletzte Lied „Vergib Mir“ erinnert dann auch wieder musikalisch doch an Extrabreit, wobei das Stück zusammen mit dem Abschluss „Les Jeux Sonts Faits“ als Bonus-Track deklariert ist. Das eben angesprochene Lied „Positiv Denken“ scheint allerdings schon etwas älter zu sein, denn ich habe eine Live-Aufnahme bei Youtube aus dem Jahr 2017 gefunden.
Letztendlich ergibt das für mich dann eine recht hohe Wertung für eine deutschsprachige Platte. Warum? Weil mich diese Scheibe anspricht, berührt und vor allen Dingen musikalisch wie textlich absolut abholt. Herzlich „Willkommen in der Falle“…wie es im großartigen Titelsong heißt! Aber bevor auch für St. Kleinkrieg und mich das Leben wie für alle anderen auch tödlich endet, würde ich künftig noch sehr gerne mehr von diesem wunderbaren Musiker hören!