NO RETURN – REQUIEM

Artist

No Return

Albumtitel

Requiem

Genre

Death/Thrash Metal

Eine Bontempi Orgel aus dem Tchibo Regal eröffnet das elfte Album der französischen Death-Thrasher NO RETURN, die sich nach fünf Jahren beinaher Funkstille (das Live Album von 2020 ausgenommen) mit ihrem elften Studioalbum „Requiem“ zurückmelden. Während Hauptsongwriter (und einzig verbliebenes Original Mitglied) Alain Clément dabei auf eine unveränderte Hintermannschaft zählen darf, gibt es am Sangesposten erneut einen Wechsel – dieses Mal jedoch in Form der Rückkehr eines alten Bekannten, denn mit Steeve ‚Zuul‘ Petit kehrt der Sänger der Alben „Self Mutilation“ (2000) und „Machinery“ (2002) zur Band zurück.

Die Band präsentiert sich in zeitgemäßem Soundgewand, was für mich persönlich bedeutet, dass der Großteil der Hörerschaft z. B. den Drumsound als „fett“ bezeichnen wird, ich jedoch erstmal zwei große Biere brauche, um an den vermuteten Drum-Replacements vorbeizuhören. Sei’s drum, Drummer Joel Barbosa entschädigt mit einer astreinen, kraftvollen und ausgesprochen songdienlichen Leistung. Den Bass hätte ich mir etwas präsenter gewünscht, denn der pulsiert recht schüchtern im Hintergrund. Die Gitarren sind hingegen furztrocken und kristallklar in Szene gesetzt, was zweifelsfrei auch nicht zuletzt auch dem hervorragenden Handwerk der Saitenfraktion geschuldet ist, denn nach über 30 Jahren Bandgeschichte fällt auch beim sehr gelungenen Opener „The Only One“  wieder sofort ins Auge: Die Jungs können (immer noch) zocken! Überhaupt, so viel sei vorweggenommen, liegt hier eine Platte vor, die die Musikalität der Bandmitglieder erfreulich in den Vordergrund stellt und richtig Spaß macht.

Die zehn Stücke bieten Todes/Verprügel Metall neuerer Bauart auf songschreiberisch sehr hohem Niveau, was mich besonders freut, da ich die Alben seit 2002 als recht generisch empfunden habe (und das immer noch tue). Heuer jedoch weiß die Band mit Kompositionen (!) zu gefallen, deren Riffs und Refrains nicht gleich im Nirgendwo versickern, nachdem man einen Durchlauf durchgestanden hat. Songs wie der bereits erwähnte Opener oder auch „Affliction“ überzeugen mit sehr ansprechenden songwriterischen Spannungskurven, ohne je den Faden zu verlieren. Dabei fällt vor allem die geschickt ausgetüftelte Synchronität von Gitarrenriffs und Drums auf, das klingt alles wie aus einem Guss, mit viel Herzblut,  Sinn und Verstand komponiert. Und immer wieder wiehern darüber hinaus ausgesprochen hochklassige, virtuose Soli und zweistimmige Läufe durch die Bude, die nie zum Selbstzweck da sind, sondern den Songs eine weitere oder auch tragende Komponente hinzufügen, die das gelungene Ganze gleichzeitig unterstreicht und komplettiert. Und das nach über 30 Jahren? Respekt! Old’s cool, denn so geht Songwriting, Kinder!

Was darfst du also im Jahr 2022 von der Band erwarten, die sich im Verlauf ihrer Frühphase neben (meiner Meinung nach) vier verdammt coolen Alben auch dadurch ausgezeichnet hat, ihren Stil von Album zu Album zu ändern und immer so ein wenig den Anschein gemacht hat, diversen Bandwagons hinterherzuhecheln?

Melodischen Death/Thrash mit Göteborg-Anleihen, durch deathen (lol) Unterholz gelegentlich auch eine skandinavisch frostige Gipfelbrise klirrt (Anspieltipp: Anfangs-/Refrainriff von „The Only One“, der black-crust-punkig angehauchte Refrain von „Unscarred“). Ausgeklügeltes Handwerk von (mindestens einem) alten Hasen, sprich: sehr abwechslungsreiche Songs mit zahlreichen, fein ausgearbeiteten Breaks und Tempowechseln, zahlreichen Killer-Riffs und exzellenten Soli, ordentlich Uffta-Uffta, Blastbeats und viel Groove. Dabei wirken die Stücke nie zerfahren, sondern folgen immer einem roten Faden und bewegen sich in den besten Momenten des Albums von Höhepunkt zu Höhepunkt (wie in „Affliction“, das zudem mit einem sehr coolen angeschwärzten Death Metal Riff punktet). Sänger ‚Zuul‘ macht zudem einen mehr als ordentlichen Job, bemüht sich recht erfolgreich um Abwechslung und trällert auch die eine oder andere cleane Linie in die Dose.

Schwachpunkte bilden für mich lediglich der häufig gedoppelt klingende Gesang, dessen Spuren nicht immer passgenau übereinander liegen. Dadurch klingen die Vocals an der einen oder anderen Stelle etwas mulschig, was so gar nicht zum tighten Gesamtbild der Musik passt und der Band eher etwas nimmt als gibt (z. B. in „The Black Wolfs Kingdom“). Außerdem gibt’s mit „Apologies“ und vor allem „Nobody Cares About You“ zwei Songs mit für meinen Geschmack etwas viel Zupfgeigenhanselei, aber diese schmälern für mich den Gesamteindruck des Albums nicht wirklich.

An ein, zwei Stellen klingen die Keyboard Sounds für mich nicht so ganz geschmackssicher gewählt wie z.B. auf ihrem Album „Self Mutilation“, wobei man festhalten muss, dass die Keyboards auf „Requiem“ die Songs nicht permanent zerflöten, sondern in der Regel angenehm in den Hintergrund gemischt sind, von wo aus sie die Kompositionen sehr songdienlich bereichern.

Alles in Allem gefällt mir das Album überraschend gut, richtig gut sogar, so gut, dass ich gleich mal wieder mein NO RETURN Shirt rausgekramt habe, obwohl ich der Band 2015 nach dem für mich erneut nur durchschnittlichen „Fearless Walk To Rise“ nicht mehr viel zugetraut und sie komplett aus den Augen verloren hatte. Desto überraschter bin ich, dass die Jungs so frisch durchs Gemüse mörteln, offensichtlich sehr viel Zeit ins Songwriting und andere Hausaufgaben investiert haben und mit „Requiem“ einen äußerst gelungenen Brückenschlag zwischen ihrer Ur-DNS und neuen Einflüssen aus der musikalischen Petrischale anbieten, der alle Stilelemente der ersten vier Alben geschickt in sich zu verbinden weiß und in einem sehr runden, richtig starken Album resultiert.

P.S.: Wem das hier allerdings alles zu zeitgemäß klingt, dem möchte ich an dieser Stelle noch unbedingt das 1992er Band-Juwel „Contamination Rises“ ans Herz legen, ein viel zu oft übersehenes 15 Punkte Album der frühen 90er.

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Infos

Release

21.10.2022

Laufzeit

46:45 Minuten

Label

Mighty Music

Fazit
NO RETURN kommen mit einem ganz starken Death/Thrash Metal zurück!
12
von 15
Edelstahl
Pain will leave once it is done teaching you